Netflix, der größte und wichtigste Streaming-Anbieter überträgt nach einigen Show-Kämpfen über Weihnachten erstmals richtigen Live-Sport. Was bedeutet das für die Medienbranche und für die Sportfans?
Jahrelang hat Netflix die Frage nach Live-Sport vehement verneint. Doch jetzt ist es so weit, der Marktführer unter den Streaming-Anbietern zeigt erstmals echte Sport-Ereignisse live. Nach Dokus und selbst ausgedachten Tennis-, Golf- und Box-Events überträgt der Marktführer am ersten Weihnachtstag zwei Spiele der NFL weltweit und exklusiv.
Für Sport-Liebhaber ist das nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Der TV-Sport-Markt zerfasert damit weiter. Fans von Live-Übertragungen haben zusehends Mühe, den Überblick zu behalten. Und sie benötigen immer mehr Abonnements. Nach Meinung von Medien-Experten wird sich dieser Trend vor allem beim internationalen Top-Sport noch verstärken.
Es ist unübersichtlich
Der ehemalige DFL-Chef und Dyn-Gründer Christian Seifert betonte: „Es sind globale Marken, die globale Rechte kaufen.“ Zu den beiden weltweit exklusiven Christmas-Games bei Netflix sagte der erfahrene Rechte-Spezialist jüngst bei dem Kongress „Sport Marke Medien“ in München: „Das ist ein Test.“
Noch im März hatte Netflix-Manager Gabe Spitzer den Kauf von NFL-Rechten praktisch ausgeschlossen. „Wir sind noch immer kein Teil des Livesport-Rechte-Spiels – wir konzentrieren uns darauf, großartige Dramen mit grandiosen Geschichten zu kreieren“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Spätestens jedoch mit den Football-Übertragungen ist Netflix ein weiterer Player im Markt.
Bereits jetzt gibt es hierzulande mit Sky, DAZN, MagentaSport oder Dyn eine Reihe von etablierten Pay-TV-Angeboten im Sport. Dazu kommen Nischen-Anbieter wie Sportdeutschland.TV oder Sportdigital, die ebenfalls kostenpflichtig sind. Es ist also schon unübersichtlich.
Hinter der Bezahlschranke gibt es zudem Fußball bei RTL+ oder bei Amazon Prime Video, dem Sport-Vorreiter unter den Streaming-Anbietern. In Deutschland zeigt das TV-Angebot des Handels-Giganten bereits Champions-League-Fußball sowie das Tennisturnier in Wimbledon.
Aufsehenerregender Zehnjahresvertrag
Der nächste ganz große Streaming-Anbieter mit Sport war Apple. Das wertvollste Unternehmen der Welt kaufte mit einem aufsehenerregenden Zehnjahresvertrag für 2,5 Milliarden Dollar die weltweiten Rechte der amerikanische Fußball-Liga MLS für sein Apple TV+.
„Es kommen große, wuchtige Player“, sagte der ehemalige Sky-Chef Carsten Schmidt zur Zukunft des Sportrechte-Wettbewerbs. Deren „Kapital-Lage ist sehr viel besser“ als bei der etablierten Konkurrenz, erklärte Fabian Stechel von der Agentur CAA, die große Ligen und TV-Anbieter berät.
„Unglaubliche Flop-Quote“
Der Vorteil von Sport für Streaming-Anbieter liegt für Seifert auf der Hand. Es gebe „eine unglaubliche Flop-Quote“ bei neuen Filmen und Serien von bis zu 90 Prozent, sagte der Dyn-Chef. Hingegen gelte: „Die Verlässlichkeit der großen Sportereignisse ist enorm.“ Die hohen Zuschauerzahlen lassen sich gut prognostizieren.
So schalteten Mitte November beim Show-Kampf von Ex-Box-Weltmeister Mike Tyson und Jake Paul laut Netflix weltweit rund 60 Millionen Haushalte ein. Weniger erfreulich, sondern eher peinlich für den Streaming-Giganten waren die Übertragungsprobleme. Bei den NFL-Spielen soll es Weihnachten besser laufen.
Nach dem Netflix-NFL-Deal erwartet die Medien-Expertin Lisa Jäger von der Strategieberatung Simon-Kucher weitere Sport-Engagements. „Im Streamingmarkt ist im Moment ein ziemliches Gerangel um Marktanteile und um Abonnenten“, sagte sie: „Deswegen ist die große Frage: Was können die Anbieter eigentlich machen, um ihre Abonnenten zu halten?“ Jäger ist sich sicher, „dass wir da auch im nächsten Jahr noch einige spannende Entwicklungen sehen“.
Vertrag über 76 Milliarden Dollar
Die Marktforschung hat nach Angaben der Medien-Expertin ergeben: „Die breite Auswahl an Inhalten ist jenseits des Preises das wichtigste Kriterium“ für Streaming-Kunden. Daher „würden Sportinhalte, also exklusive Inhalte, die anderswo nicht verfügbar sind, wunderbar da reinpassen. Idealerweise sind das nicht nur irgendwelche Nischensportarten, sondern Inhalte, die sich an eine möglichst breite Zielgruppe richten.“
Zu dieser These passt auch der NBA-Deal von Amazon. Gemeinsam mit Disney und NBC Universal hat sich der Handelsriese für die elf Spielzeiten von 2025/26 bis 2035/36 die TV-Rechte der nordamerikanischen Basketball-Profiliga gesichert. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge kostet das ganze Paket insgesamt 76 Milliarden Dollar (rund 70 Milliarden Euro). Einen wesentlichen Teil dieser Summe sollen letztlich die Basketball-Fans über Abonnements aufbringen.
Text: dpa / Redaktion: Felix Ritter
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