Zu den Geschädigten des kürzlich ausgehobenen Cardsharing-Rings in Niedersachsen gehört unter anderem auch das Schweizer Unternehmen Nagravision. Im Interview mit der DF-Redaktion sprach Holger Ipplach, Vertriebsleiter für Zentral- und Nordeuropa, über die Bedeutung von Cardsharing für Pay-TV-Plattformen und darüber, was Schwarzsehern droht, wenn sie erwischt werden.
Herr Ippach, was bedeutet Card-Sharing für Pay TV-Plattformen?
Holger Ippach: Nun, zunächst bedeutet Card-Sharing natürlich einen Umsatzverlust für die jeweilige Pay TV-Plattform. Damit einher geht allerdings auch eine schwindende Wertschätzung der teuer produzierten Qualitätsinhalte sowohl bei den Betreibern von kommerziellem Card-Sharing, als auch den Schwarzsehern selbst. Ich halte die Bagatellisierung solcher Systeme für sehr gefährlich, weil sie die irrtümlich aber oft vorhandene Vorstellung über das Recht auf kostenlosen Premium TV-Konsum bestärkt. Zudem ist Card-Sharing für alle ehrlichen Abonnenten eine Ohrfeige, die wir und unsere Plattformkunden nicht hinnehmen können.
Letzte Woche wurde ein solcher Sharing Ring ausgehoben. Sie haben Strafanzeige gestellt. Wie sind Sie den Leuten auf die Schliche gekommen?
Holger Ippach: In der Tat handelt es sich bei der Aktion um einen großen und wichtigen Schlag gegen das Card-Sharing. Nagra hat mit seiner Strafanzeige den Weg dafür bereitet – in eigenem Interesse, aber in allererster Linie auch im Interesse unserer Kunden sowie nicht zu vergessen sogar für unsere augenscheinlich ebenfalls betroffenen Mitbewerber. Wir verstehen unsere Produkte als ein Paket aus CA-System und Dienstleistung. Unter Letzteres fällt bei Nagra auch der aktive Schutz der Kundeninteressen gegenüber illegaler Nutzung sowie gezielte Aktivitäten, dies zu verhindern. Weitere Details dazu würden solche erfolgreichen Zugriffe gefährden.
Im aktuellen Fall ist von einer Schadenssumme von mindestens 120.000 EUR die Rede. Wie kommen solche Summen zusammen?
Ippach: Eine exakte Bezifferung des Schadens ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Wir müssen hier zunächst einmal auf den Abschluss der polizeilichen Ermittlungen warten und dann Akteneinsicht beantragen. Einen ersten Anhaltspunkt bietet natürlich die Anzahl der Nutzer dieses illegalen Cardsharing Rings. Da diese bei weit über eintausend liegt, landet man in Verbindung mit der durchschnittlichen Monatsgebühr eines Pay TV-Paketes ziemlich schnell bei weit höheren Beträgen.
Was tut Nagravision, um das „neue Hacking“ zu unterbinden?
Ippach: Der Ausgangspunkt oder das Einfallstor für Card-Sharing Systeme ist eine Schwäche im DVB-Standard. Daher sind ältere Lösungen verschiedener CA-Anbieter auch generell betroffen. Nagra CA-Systeme der neuesten Generation schließen diesen Schwachpunkt und sind somit nicht anfällig.
Wie können Sie Staatsanwaltschaft und Polizei bei ihren Ermittlungen unterstützen?
Ippach: Im aktuellen Fall konnte Nagra als technischer Sachverständiger auftreten. Unsere Vorarbeit führte direkt zum Verdacht und löste spätere Ermittlungen aus.
Was droht den Schwarzsehern, wenn sie erwischt werden? Ist jeder „schuldig“, der einen manipulierten Receiver kauft und nutzt?
Ippach: Wir bei Nagra fokussieren uns auf Betreiber solcher Card-Sharing Plattformen, weniger auf deren Nutzer. Aber auch wir möchten betonen, dass es sich bei der Nutzung solcher Systeme um eine S t r a f t a t handelt, kein Bagatelldelikt. Die Verfolgung und genaue Einordnung solcher Straftaten obliegt den jeweiligen Justizbehörden.
Vielen Dank für das Gespräch![red]
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