Nach dem Rücktritt von Generaldirektor Entwistle sind am Montag weitere hochrangige Mitarbeiter der BBC zurückgetreten. Allen wurde der Umgang mit der aktuellen Missbrauchs-Affäre zum Verhängnis. Beim Sender bemüht man sich nun um einen Neuanfang.
Bei der britischen BBC rollen wegen Fehlern im Umgang mit einem Kinderschänderskandal immer mehr Köpfe. Nach dem Rücktritt von Generaldirektor George Entwistle nahmen am Montag auch Nachrichtenchefin Helen Boaden und ihr Vize Stephen Mitchell ihren Hut. Auch der Chef der Investigativ-Abteilung, Iain Overton gab seinen Posten ab. Rücktrittsforderungen kamen auch gegen Chris Patten auf, der als Rundfunkratspräsident den Sender beaufsichtigt.
Für disziplinarische Maßnahmen sei es zu früh, sagte der kommissarische BBC-Generaldirektor Tim Davie. Er kündigte jedoch an, die Hierarchien neu zu ordnen. „Worauf wir uns wirklich konzentrieren ist, die Sache in den Griff zu bekommen und eine neue Hierarchielinie bei den Nachrichten zu schaffen.“ Am Wochenende war deutlich geworden, dass Generaldirektor Entwistle von den Entscheidungen über die Berichterstattung zum Missbrauch gar nicht unterrichtet war, obwohl er auch die Funktion des Chefredakteurs ausübt.
Die BBC hatte am 2. November einen Bericht über einen Missbrauchsskandal in den 1970er und 1980er Jahren in Kinderheimen in Wales ausgestrahlt. Ein früherer Spitzenpolitiker der Konservativen Partei wurde darin als mutmaßlicher Täter genannt. Der Beschuldigte war leicht als der frühere Schatzmeister der Partei, Alistair McAlpine zu identifizieren. Der Ex-Politiker ging in die Offensive und wies alle Vorwürfe zurück. Der von der BBC genutzte Kronzeuge musste zugeben, sich geirrt zu haben.
Der schwere Schnitzer kam nur Wochen nachdem bekanntgeworden war, dass die BBC eine Missbrauchsaffäre im eigenen Haus unter den Teppich gekehrt hatte. Ein Bericht über den früheren BBC-Musikmoderator Jimmy Savile wurde nicht ausgestrahlt. Stattdessen enthüllte der Konkurrenzsender ITV später, dass der im vergangenen Jahr im Alter von 84 Jahren gestorbene Savile jahrzehntelang Kinder missbraucht hatte – teils auf dem BBC-Gelände.
Um die Abfindung von Entwistle, nach nur knapp zwei Monaten im Amt geht, gibt es inzwischen eine wachsende Debatte. Der Ex-Generaldirektor soll 450 000 Pfund (563 000 Euro) für sein Ausscheiden bei der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt erhalten. Premierminister David Cameron bezeichnete dies als „schwer zu rechtfertigen“. Ähnlich äußerte sich auch Kulturministerin Maria Miller. Chefaufseher Patten erklärte, die Abfindung sei in dieser Höhe gerechtfertigt, vor allem aber notwendig. Dies werde langwierige Verhandlungen ersparen. [dpa/hjv]
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