Gottschalk, Jauch, Schmidt, Pflaume, Pocher – und vielleicht bald auch Kerkeling: Wie auf dem Transfermarkt der Fußball-Bundesliga geht es zur Zeit im deutschen Fernsehen zu. Doch wem nützt so ein Treiben wie im Taubenschlag? Große Hoffnungen macht sich die ARD.
Noch dominiert im Fernsehen das Sommerprogramm mit vielen Wiederholungen, doch hinter den Kulissen werden bereits die Weichen für die Zukunft gestellt. Die neue TV-Saison, die dem Diktat der werbetreibenden Industrie folgend Ende August/Anfang September beginnt, verspricht spannend zu werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht dieses Mal die ARD, die im Herbst zur Aufholjagd bläst und im Jahr 2012 die Rückeroberung der Marktführerschaft im deutschen Fernsehen anpeilt. Ob Konkurrent RTL, nach Marktanteilen derzeit mit 14,1 Prozent vor der ARD (12,7 Prozent), die Kampfansage ungerührt lässt?
Fest steht: Die ARD hat, wie sonst nur Bayern München in der Fußball-Bundesliga, kräftig neue Stars an Land gezogen und seine Verstärkung sicherlich auch mit attraktiven Verträgen ausgestattet. Als erster geht Günther Jauch (55) mit seinem Polit-Talk am 11. September an den Start. Der bislang weitgehend auf RTL abonnierte Journalist, Moderator und Produzent hat sich in der ARD zwar nur auf eine Stunde Gesprächsrunde die Woche eingelassen, aber mit seiner Firma I & U TV produziert er nicht nur seinen eigenen Talk, sondern auch einige weitere ARD-Shows.
Neuzugang Nummer zwei für „Das Erste“, das wieder das Erste sein möchte, ist Thomas Gottschalk, der nach dem Ende von fast 25 Jahren „Wetten, dass..?“ beim ZDF keine Perspektive mehr sieht. Der 61-Jährige wird ab Januar viermal die Woche montags bis donnerstags jeweils um 19.30 Uhr die Tagesereignisse auf witzige Art Revue passieren lassen und dabei „den ganz normalen täglichen Wahnsinn“ aufs Korn nehmen, wie er sagt. „Für den bin ich in Zukunft zuständig.“ Hier heißt der Produzent Grundy Light Entertainment.ZDF setzt auf Champions League – offene Fragen um „Wetten, dass..?“
Die ARD hofft, mit Jauchs Verpflichtung gleichzeitig dem Publikum mehr Programm-Verlässlichkeit zu bieten. Denn künftig wird von sonntags bis donnerstags am Abend getalkt. Anne Will, Frank Plasberg, Sandra Maischberger und Reinhold Beckmann haben alle ihren Platz. Außerdem soll der von der Resonanz her marode Vorabend zwischen 18 und 20 Uhr auf Vordermann gebracht werden. Neben Gottschalk soll auch Kai Pflaume (44) und seine Freitagsshow „Drei bei Kai“ sowie neue Krimiserien mit humorvollem Einschlag mehr Publikum locken.
Die Konkurrenz hat weniger anzukündigen als die ARD. Das ZDF nimmt die jährlich gut 50 Millionen Euro pro Jahr für die Champions-League-Rechte erst ab der Saison 2012/2013 in die Hand. Ungeklärt ist gegenwärtig noch die Frage, wer ab Mitte 2012 die überarbeitete Show „Wetten, dass..?“ in der Nach-Gottschalk-Ära moderieren soll. Vieles deutet auf Hape Kerkeling. Aber tut er sich das an, in so große Fußstapfen zu treten? Ein paar Film-Highlights hat das Zweite noch zu bieten, unter anderem „Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“ am 9. Oktober. Eine große Baustelle bleibt der Dienstagabend, an dem kaum noch eine Dokumentation funktioniert.Gebremste Innovationskraft bei RTL, Sat.1 und Pro Sieben
Marktführer RTL vertraut auf seine bewährten Konzepte. Shows wie „Das Supertalent“, „Deutschland sucht den Superstar“ oder die Dschungelshow „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ sind klare Quotengaranten. Überraschen konnte der Kölner Privatsender mit der Verpflichtung von Komiker Oliver Pocher, der bei Sat.1 mit seiner Late-Night-Show enttäuschte und bei RTL das Format „Immer auf den Kleinen“ bekommt. Ansonsten setzt RTL auf hauseigene Gewächse, unter anderem auf Komiker und Moderator Daniel Hartwich, der mit „H wie Hartwich“ ein neues Format bekommt. Auch Oliver Geissen („Es kann nur einen geben“) bekommt eine neue Show.
Sat.1 hat sich ebenfalls Verstärkung geholt: Mit dem von der ARD ausgemusterten Harald Schmidt (54) stieß ein alter Bekannter zu dem Privatsender, von dem Schmidt selber sagte, er habe im Grunde die letzten 15 Jahre für ihn gearbeitet – zwischendurch sei er nur von der ARD bezahlt worden, damit die Sat.1-Investoren entlastet würden. Am 13. September startet er mit seiner „Harald Schmidt Show“, die zweimal wöchentlich läuft und bei der der Altmeister vom Bühnenbild her was ganz Verrücktes ausprobieren will: „Links die Band, rechts der Schreibtisch, und in der Mitte komme ich heraus“.
Auch beim Schwestersender ProSieben dreht sich die Innovationsschraube eher in gemächlichem Tempo. Senderchef Jürgen Hörner setzt vor allem auf attraktive US-Serienware wie „Body Of Proof“, die Spielberg-Produktionen „Terra Nova“ und „Falling Skies“ oder „Spartacus: Blood And Sand“. Außerdem gehen Eigenproduktionen wie „Kreutzer kommt“, „Switch Reloaded“ oder der „Quatsch Comedy Club“ und die Spielshow „17 Meter“ mit demModeratorengespann Joko und Klaas in Verlängerung. [Carsten Rave/ar]
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