Die fortschreitende Digitalisierung und die steigende Datensammelwut der großen Unternehmen sorgt bei Datenschützern für Sorgenfalten. Beim nationalen IT-Gipfel fordern nun jedoch Politiker eine Überarbeitung des Datenschutz-Begriffs.
Die Deutschen müssen in den kommenden Jahren auf dem Weg in eine digitale Gesellschaft von der bisher geltenden Vorstellung von Datenschutz Abschied nehmen. Dies machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Saarbrücken beim 10. Nationalen IT-Gipfel deutlich. „Das Prinzip der Datensparsamkeit, wie wir es vor vielen Jahren hatten, kann heute nicht die generelle Leitschnur sein für die Entwicklung neuer Produkte“, sagte sie.
Die Umsetzung der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung vom Mai dürfe „nicht so restriktiv“ sein, dass sie das Big-Data-Management verhindere. Unter Big Data werden große Datenmengen verstanden, die in Zukunft für die Wirtschaft immer wichtiger werden. Die Kanzlerin sagte, es gehe beim Datenschutz „um Leitplanken, um das Verhindern von Exzessen – aber es geht auch um Freiräume, die erhalten bleiben, um neue Entwicklungen zu ermöglichen“.
Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zeigte sich überzeugt, „dass wir uns endgültig verabschieden müssen von dem klassischen Begriff des Datenschutzes, weil der natürlich nichts anderes ist als ein Minimierungsgebot von Daten“. Dies sei „das Gegenteil des Geschäftsmodells der digitalen Welt“. Datenschutz werde damit nicht völlig aufgegeben. Es gehe vielmehr darum, „statt Datenschutz Datensouveränität zum Gegenstand von Politik im Umgang mit Daten zu machen“.
Google-Chef Sundar Pichai meinte bei dem IT-Gipfel: „Wenn man die Innovation voranbringen will, dann muss man auch Risiken eingehen.“ Man müsse eine Balance zwischen Datenschutz und der Notwendigkeit offener Daten finden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plädierte für eine „gute Datenpolitik“, die Deutschland als Datenstandort etabliere: „Keine Daten in Deutschland heißt Datenverwertung woanders und Datenschutz woanders.“ Die Nutzung von Daten durch Industrie und Wirtschaft müsse ermöglicht, „jedenfalls aber nicht verhindert werden“. Zugleich müssten die Rechte von Bürgern und Unternehmern geschützt werden. Die Datensicherheit in Deutschland sei „ein Gütesiegel“ und ein Standortvorteil.
„Jetzt geht es erst richtig los“, sagte der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Thorsten Dirks. „Die Veränderungen, die uns in den nächsten Jahren erwarten werden, gehen weit über das hinaus, was wir in den letzten zehn Jahren erlebt haben.“ Niemand wisse, wie lange wir noch selbst Autos lenkten, mit Bargeld bezahlten, Zeitung läsen oder zur Arbeit ins Büro führen. Das nächste Jahrzehnt werde „ein Quantensprung in die Gigabit-Gesellschaft“ sein. Darunter wird die jederzeitige Verfügbarkeit großer Datenmengen in Echtzeit auch zu industriellen Zwecken verstanden.
„Wir brauchen ein gemeinsames digitales Europa“, sagte Siemens-Vorstandsmitglied Siegfried Russwurm. „Wenn wir im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein wollen, dann wird es nicht in der Kleinstaaterei von 28 Mitgliedsländern gehen. Die Regulierung im europäischen Maßstab ist ganz wichtig.“ Der für digitale Netze zuständige Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) verwies auf eine führende Rolle, die deutsche Unternehmen bei der Entwicklung von selbstlenkenden Autos spielten. „Wir setzen alles daran, dass wir mit der Automobilindustrie Weltspitze bleiben.“
An dem IT-Gipfel nahmen mehr als 1000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft teil. Der Gipfel des kommenden Jahres soll Digitalgipfel heißen. [dpa/buhl]
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