Die alten Fernsehsender sind auf den Medientagen München auf der Suche nach dem Zuschauer und neuen Ausspielwegen – und selbst bei alter linearer Verbreitung passieren Fehler.
ProSieben-TV-Geschäftsführerin Katja Hofem hat eingeräumt, dass inhaltliche Fehler zum Abwärtstrend der Sender ProSieben und Sat.1 geführt haben. „Wir liegen unter unseren Fähigkeiten“, sagte Hofem am Mittwoch beim sogenannten TV-Gipfel der Münchner Medientage mit Blick auf die Entwicklung der Marktanteile ihrer Sender. „Wir haben ein paar programmlich falsche Einschätzungen gehabt.“ Beispiele dafür nannte sie jedoch nicht.
Gerade ProSieben hat viel Publikum verloren und liegt nur noch bei einem Gesamtmarktanteil von 4,5 Prozent. Man arbeite jetzt auf einen „Lucky Punch“ hin, so wie Konkurrenzsender Vox es mit der Existenzgründershow „Die Höhle der Löwen“ oder der Serie „Club der roten Bänder“ geschafft habe. Eines stehe aber fest: „Die Zeiten mit 20 Prozent Marktanteil für einen Sender sind vorbei.“
Kollege Bernd Reichart vom Mitbewerber Vox sagte, Programmmacher müssten aus ihren Gewohnheiten ausbrechen. Der Zuschauer richte seinen Tag nicht mehr nach den festen Sendeplätzen linearer Anbieter aus. Er wolle daher nicht ausschließen, mit einem Produkt wie „Club der roten Bänder“ künftig zuerst auf einer Video-on-Demand-Plattform zu landen und erst danach im klassischen TV. Aber dennoch: „Viele zelebrieren immer noch die Verabredung mit ihrer Freundin montags um 20.15 Uhr mit Rotwein und Taschentüchern vorm TV.“
Aus Sicht der Discovery-Deutschland-Chefin Susanne Aigner-Drews reicht es nicht mehr, „nur linear oder nicht-linear“ zu denken. „Wir befinden uns in einer schnellen Transformation der Broadcaster, die zu einer Multichannel-Plattform werden müssen.“ Ganz im Sinne des Zuschauers, der jederzeit an seine Inhalte kommen müsse, wann und wo er wolle. Und die jungen Zuschauer seien digital sowieso leichter erreichbar, ergänzte Aigner-Drews.
Vielleicht ja bei Netflix: Quirin Berg hat erste Erfahrungen mit dem wachsenden US-Streamingdienst gemacht. Der Geschäftsführer der Produktionsfirma Wiedemann & Berg ist gespannt auf den 1. Dezember, weil er dann mit seiner mehrteiligen Story „Dark“ die erste aus Deutschland stammende Serie bei Netflix platziert. „Während man im Free-TV immer genau auf die Sendeplätze und das dann zuschauende Publikum guckt, ist bei Netflix die Kreativ-Frage wichtiger“, sagte Berg. Eine Kröte hat er aber schlucken müssen: Bei dem Netflix-Deal handelte es sich um einen „Buy-out“ mit „all rights“ – einmal wurde Berg bezahlt, alle Rechte bleiben beim Streamingdienst.
Für Reinhard Scolik, dem Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks, steht fest: Auch sein Sender müsse neue Wege finden, um das Publikum anzusprechen. Er verwies auf die App von BR24 oder auch die gerade erneuerte Mediathek. „Es macht keinen Sinn, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen neue Ausspielwege zu untersagen“, sagte Scolik. Man müsse vielmehr im Fokus haben, dass die Programmanbieter sich untereinander nicht gegenseitig auf nationaler Ebene bekämpfen dürften, sondern zusammenschließen müssten, denn der Gegner lauere auf internationaler Ebene und heiße Facebook, Google und Amazon. [dpa]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com