Der Philosoph Hegel hat die Gegenwart als „Kampf um Anerkennung“ beschrieben. Bei den Medientagen München lässt sich beobachten, was das bedeutet: TV-Sender, Radios und Zeitungen kämpfen erbittert um die Aufmerksamkeit der Menschen – und bedienen sich neuer Mittel.
Die Medien in Deutschland experimentieren immer mehr mit neuen Technologien, um vor allem das junge Publikum nicht zu verlieren. Bisherige Ausspielwege dürfen dabei aber nicht vernachlässigt werden. Dies wurde am Mittwoch bei den Medientagen München deutlich.
Der Chefredakteur der „Nordwest-Zeitung“, Lars Reckermann, berichtete über den Einsatz von Schreibrobotern für monatlich Tausende Texte, die sonst gar nicht geschrieben würden: automatisierte Ergebnisberichte aus unteren Fußball-Ligen, lokal unterschiedliche Wetterberichte und Ankündigungstexte für Veranstaltungen. „Das werden nie Pulitzer-Preis-Texte sein“, sagte Reckermann und ergänzte: „Noch nicht.“
Für Radiosender bieten digitale Sprachassistenten wie Alexa von Amazon große Chancen. „Wir umarmen diese neuen Möglichkeiten“, sagte die Programmdirektorin von Antenne Bayern, Ina Tenz. Ihr Sender werde schon jetzt täglich von 10 000 Hörern auf Zuruf über Alexa eingeschaltet. Dies führe zu neuen Formaten und Werbemöglichkeiten.
Nach Ansicht des BR-Programmbereichsleiters Walter Schmich muss auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf alle neuen Plattformen und Ausspielwege setzen, um junge Zielgruppen zu erreichen: „Wenn wir infrage stellen, dass wir nicht mehr auf Social-Media-Kanälen aktiv werden dürfen, dann kann man uns gleich den Stecker ziehen. Dann haben wir aus meiner Sicht die Zukunft verloren.“
Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und ihr Staatssekretär Franz Josef Pschierer (beide CSU) hatten ARD und ZDF zuvor zu mehr Zurückhaltung im Netz aufgerufen: Ihr Schwerpunkt müsse im Fernsehen und Hörfunk bleiben.
Pschierer sprach beim Audiogipfel auch über das Ende der analogen UKW-Welt – am Digitalradio DAB Plus führe kein Weg vorbei: „Mit zunehmender Verbreitung über DAB Plus muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk daher seine UKW-Frequenzen schrittweise aufgeben“, sagte der Staatssekretär. Tenz von Antenne Bayern reagierte entsetzt: „Geld verdient wird über UKW. Es ist ein Wahnsinn, über UKW-Abschaltung zu sprechen“, sagte sie. „Wir können alle die Lichter ausmachen, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, wenn UKW abgeschaltet wird.“
Beim TV-Gipfel räumte ProSieben-TV-Geschäftsführerin Katja Hofem ein, dass inhaltliche Fehler zum Abwärtstrend der Sender ProSieben und Sat.1 geführt haben: „Wir haben ein paar programmlich falsche Einschätzungen gehabt.“ Gerade ProSieben hat viel Publikum verloren und liegt nur noch bei einem Gesamtmarktanteil von 4,5 Prozent. Man arbeite jetzt auf einen „Lucky Punch“ hin, so wie Konkurrenzsender Vox es mit der Existenzgründershow „Die Höhle der Löwen“ oder der Serie „Club der roten Bänder“ geschafft habe. Eines stehe aber fest: „Die Zeiten mit 20 Prozent Marktanteil für einen Sender sind vorbei.“
Bernd Reichart vom Mitbewerber Vox sagte, Programmmacher müssten aus ihren Gewohnheiten ausbrechen. Der Zuschauer richte seinen Tag nicht mehr nach den festen Sendeplätzen linearer Anbieter aus.
Das Wachstum nicht-linearer TV-Angebote wird einer Studie zufolge allerdings abnehmen. Lediglich elf Prozent aller Menschen, die im zweiten Quartal 2017 von der Beratungsfirma Deloitte befragt wurden, gaben an, ein Streamingdienst-Abo abschließen zu wollen, 13 Prozent denken über ein Pay-TV-Abo nach.
Die digitalen Werbeumsätze werden die aus dem analogen Bereich irgendwann überholen. Diese Erkenntnis geht aus dem sogenannten „German Entertainment & Media Outlook“ der Wirtschaftsprüfung- und Beratungsgesellschaft PwC hervor. Die Bruttoerträge der Internetbranche, die im laufenden Jahr auf knapp 7,2 Milliarden Euro taxiert werden, liegen laut PwC im Jahr 2021 bei knapp 9,0 Milliarden. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 5,9 Prozent. Das Werbeaufkommen im analogem Bereich, zu dem Print und TV gerechnet werden, soll in vier Jahren laut PwC knapp 12,5 Milliarden Euro betragen nach 12,2 Milliarden in diesem Jahr.
Die PwC-Studie kommt zu dem Schluss, dass nur in einem großen klassischen Marktsegment – nämlich in der TV-Werbung – die Werbeerlöse signifikant zunehmen dürften, und zwar in den nächsten fünf Jahren um rund 550 Millionen Euro auf dann mehr als 5 Milliarden Euro.
Die Wirksamkeit digitaler Werbung wird nach Ansicht von Experten allerdings überschätzt. Im Digitalmarkt lasse sich vieles kaum kontrollieren, es fehle an Transparenz, beklagt der Media-Chef des Pharmakonzerns Sanofi, Christof Baron, in einem Thesenpapier, über das in München diskutiert wurde. Die von Facebook veröffentlichten eigenen Reichweiten in jungen Zielgruppen seien unglaubwürdig, kritisierte der Geschäftsführer des Vermarktungshauses SevenOne Media, Guido Modenbach.
Heiko Genzlinger von der Vermarktungsallianz regionaler Tageszeitungen, Score Media Group, sieht die gedruckten Tageszeitungen gut gerüstet im Wettbewerb mit Online-Riesen: „Die regionale Tageszeitung ist einer der meistunterschätzten Werbeträger unserer Zeit.“ Sie genieße bei den Lesern eine besonders hohe Glaubwürdigkeit und erreiche täglich deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland. [dpa]
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