Der am Montag in den Ruhestand scheidende MDR-Intendant Udo Reiter übernimmt die „politische Verantwortung“ für die Skandale in seinem Leipziger Sender, sieht aber keine „persönliche Schuld“.
Seine Nachfolgerin Karola Wille habe als stellvertretende Intendantin in der Vergangenheit „immer wieder warnend ihre Stimme erhoben, konnte sich damit aber nicht immer durchsetzen“, sagte Reiter selbstkritisch dem Hamburger Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“. „Ich war der Chef und habe die Richtlinien vorgegeben“, so der scheidende Gründungsintendant. Sein Fehler sei wohl gewesen, dass er die „hemdsärmelige Aufbruchstimmung“ der MDR-Gründerjahre „früher hätte beenden müssen“.
Führende Mitarbeiter hätten ihn früh gewarnt, man müsse das Controllingdes Senders verbessern, gab er zu. „Ich habe zuwenig darauf gehört – im Nachhinein betrachtet“, so Reiter, derallerdings viele der vermeintlichen MDR-Affären für aufgebauscht undlange nicht so skandalträchtig hält, „dass man dafür ins Kloster gehenmüsste“.
Nur ein Fall „quält“ ihn: der Betrug beim Kinderkanal. „Ja, daswar ein Skandal, und es ärgert mich gewaltig, dass er diesen schönenkleinen und erfolgreichen Sender so beschmutzt hat“. Bei dem Sender war im Dezember ein Betrugsfall in großem Maßstab aufgedeckt worden (DIGITAL FERNSEHEN berichtete).Ein führender Mitarbeiter hatte mittels gefälschter Rechnungen überJahre hinweg den Kika um schätzungsweise vier Millionen Euro betrogen.Der Mann wurde fristlos entlassen.
Für den Millionenbetrug muss der frühere Kika-Herstellungsleiter fünf Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Das Landgericht Erfurt verurteilte den 44-Jährigen im Juni wegen Bestechlichkeit und Untreue (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete).
Seine NachfolgerinFrau Wille sei nun „ihr eigener Chef. Und sie ist die Richtige für dieZukunft des MDR“. Es gebe „sicher auch im MDR Leute, die sich freuen,dass ihr Sender künftig von einer Frau aus Ostdeutschland geführt wirdstatt von einem hergelaufenen Wessi. Flapsig gesagt ist dieBesatzungszeit mit dieser Stabübergabe endgültig vorbei“. Und weiter:“Mit mir geht der letzte der alten ARD-Elefanten“, so Reiter, derzuletzt noch Thomas Gottschalk für die ARD gewinnen konnte.
Zur Frage,ob Gottschalk mit seiner künftigen Vorabend-Show im Ersten Erfolg habenwird, sagte Reiter: „Wir müssen sehen, ob das deutsche Publikum auf sowas anspringt. Und natürlich ist der Sendeplatz um 19.30 Uhr einer derschwierigsten überhaupt. Aber den bisherigen Marktanteil wird erverdoppeln, davon bin ich überzeugt. Es ist ein Experiment.“ Ein TV-Mannwie Dieter Bohlen hingegen käme für die ARD nie in Frage. „Derartskrupellose Formate“ gebe es im Ersten nicht. [js]
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