Die Landesmedienanstalt Saarland (LMS) hat am 12. September 2012 im Rahmen eines Fachdialoges die Auswirkungen von Scripted-Reality-Formaten diskutiert. Diese könnten insbesondere bei Kinder- und Jugendlichen die Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit verfälschen. Währenddessen werden die entsprechenden Programmschienen besonders bei den Privatsendern zunehmend ausgebaut.
Am gestrigen Donnerstag (13. September 2012) stellte die Landesmedienanstalt Saarland (LMS) die Ergebnisse einer Expertendiskussion vom 12. September mit dem Titel „‚Verdachtsfälle‘, ‚Betrugsfälle‘ oder ‚Mitten im Leben‘? Reality-TV zwischen Fakten, Fiktion und Wirklichkeit“ vor. In der Diskussion ging es vor allem um aktuelle Ergebnisse der Medienwirkungsforschung zu so genannten Scripted-Reality-Formaten.
Die stellvertretende Vorsitzende des Medienrats der LMS, Ikbal Berber, betonte zu Beginn des Fachdialogs die breite öffentliche Diskussion zu dem Thema und auch die Anzahl von Beschwerden und Kritiken an derartigen Formaten, die der LMS vorliegen würden. So würden Scripted-Reality-Sendungen durch pseudo-dokumentarische Darstellung des Geschehens die Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit verfälschten. Oft kritisiert würde auch die einseitige oder gar diskriminierende Darstellung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Auch die empfundene Herabwürdigung einzelner Personen würde oft zu Beschwerden führen.
Hans-Jürgen Weiß, wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der Göfak Medienforschung GmbH in Potsdam, konstatierte im Jahr 2012 steigende Sendezeiten im deutschen Fernsehen für die so genannten Scripted-Reality-Formate. „Gemessen an der Zahl der Reality-TV-Formate und der Sendezeit, die diesen Formaten insbesondere in den privaten Fernsehvollprogrammen eingeräumt werden, hat der Stellenwert der Realitätsunterhaltung im deutschen Fernsehen im Vergleich zum Frühjahr 2011 noch weiter zugenommen: In der Stichprobenwoche im Frühjahr 2012 wurden in den sechs privaten Vollprogrammen insgesamt 63 Reality-TV-Formate identifiziert – zehn mehr als im Vorjahr. Dazu kommen drei Formate im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.“, so der Wissenschaftler.
Lediglich RTL und ProSieben hätten den Anteil an Reality-Formaten im Vergleich zum Frühjahr 2011 zurückgefahren, alle anderen privaten Vollprogramme hätten die entsprechenden Programmschienen hingegen ausgebaut. So nehmen diese bei RTL2 mehr als 30 Stunden der wöchentlichen Sendezeit ein, bei Vox mehr als 22 Stunden. Laut Weiß seien die Programmprofile der RTL- und ProSiebenSat.1-Sender derzeit massiv von Reality-TV-Formaten geprägt. Insbesondere Vox vermittle sogar das Bild eines „Reality-TV-Spartensenders“.
Laut Gerd Bauer, Direktor der LMS, sei der ungebrochene Anstieg von Reality-Formaten aber auch von ‚Pseudojournalismus‘ eine bedenkliche Entwicklung im Fernsehen, vor allem im Hinblick auf die gesellschaftliche Aufgabe des privaten Fernsehens. Eine Kennzeichnung der entsprechenden nachgestellten Passagen in den Sendungen, ähnlich wie dies bei Dauerwerbeschienen geschieht, sei keine akzeptable Lösung, weil diese dazu führen könne, dass sich Veranstalter und Produzenten damit von ihrer Verantwortung für den Kinder- und Jugendschutz entbunden fühlen. [ps]
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