Die medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, Kathrin Senger-Schäfer, hat ARD und ZDF im Gespräch mit DIGITAL FERNSEHEN aufgefordert, ihre Marktmacht einzusetzen, um den von Hollywood-Filmstudios eingeforderten Kopierschutz zu verhindern.
Sind Ihnen die Pläne von ARD und ZDF zur Einführung von DVB-CPCM und die Durchführung konkreter technischer Tests seitens der IRT bekannt?
Nein, entsprechende Planungen und Tests sind mir nicht bekannt. Offiziell verkünden die Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, für unverschlüsselte Ausstrahlung und ungehinderten Zugang einzutreten. Hinter vorgehaltener Hand hört man aber schon seit längerem, dass auch über Alternativszenarien nachgedacht wird. Ein digitaler Signalschutz wie DVB-CPCM wäre das Gegenteil zu einem ungehinderten Zugang.
Was halten Sie ganz persönlich von Kopierbeschränkungen beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen?
Die öffentlich-rechtliche Regulierung des Rundfunks basiert auf einem gemeinwirtschaftlichen Organisationsmodell. Die Beschränkung von Nutzungsrechten der Gebührenzahlerinnen und –zahler durch Digitales Rechtemanagement und Kopierschutzmaßnahmen widerspricht dem Grundgedanken gemeinwirtschaftlicher Organisation fundamental.
ARD und ZDF legen in einer Stellungnahme gegenüber DIGITAL FERNSEHEN Wert darauf, dass die Sender weiterhin Free-to-Air Sender seien, trotz ihres Bekenntnisses zu einem Kopierschutz. Sehen Sie das ebenso?
Das ist nur vordergründig richtig. CPCM ist über CPCM-taugliche Endgeräte der Einstieg in das Ende des schrankenlosen Fernsehempfangs. Zudem erlaubt CPCM neben der unverschlüsselten auch die Möglichkeit zur verschlüsselten Ausstrahlung. Was tun ARD und ZDF, wenn die Rechteinhaber nach Einführung des digitalen Signalschutzes ihren Druck weiter erhöhen und in Folge die generell verschlüsselte Ausstrahlung einfordern? Werden sie dann Nein sagen, wenn sie vorher bereits Ja gesagt haben?
Welche Auswirkungen auf eine Haushaltsabgabe für ARD und ZDF hätte es, wenn die Sender mit einer CPCM Kopierschutzmaßnahme nicht mehr als Free-TV klassifiziert werden würden? Sind in diesem Fall nach wie vor alle Haushalte zur Zahlung der (gesamten) Gebühr verpflichtet?
Das müssen Sie die für den Rundfunk zuständigen Ministerpräsidenten der Länder fragen. Die Umstellung der Rundfunkgebühr auf eine Haushaltsabgabe ist deren Idee. Sie ist, wie der Fall digitaler Signalschutz zeigt, keine Antwort auf die eigentlichen Herausforderungen des Rundfunks im Digitalzeitalter. Die Ministerpräsidenten denken Rundfunk lediglich in Kategorien zur Sicherung des eigenen Einflusses und zur Sicherung der Einnahmeseite, nicht technologisch und nutzerfreundlich.
Können Sie die Argumentation der Öffentlich-Rechtlichen nachvollziehen, wonach die Einführung des CPCM-Systems aufgrund der Vorgaben der Rechteinhaber unumgänglich ist?
Nein, in der Auswertungsstufe Free-TV ergeben sich die Verwertungserlöse aus einer Kombination von erfolgsbedingtem Lizenzpreis und senderbedingter Einschaltquote. Sie werden gespeist aus Mitteln der werbetreibenden Wirtschaft sowie aus dem öffentlich-rechtlichen Gebührenaufkommen. Bevor ein Kinofilm im Free-TV zur Ausstrahlung kommt, sind dem die Verwertungsstufen aus DVD- und Blu-Ray-Verkauf sowie Pay-TV-Lizenzierung zeitlich vorausgegangenen. Mit ihrer Zustimmung zum digitalen Signalschutz räumen ARD und ZDF den großen Hollywood-Studios neue Rechte zu Lasten der Zuschauerinnen und Zuschauer ein.
Welche Nachteile hätte CPCM aus Ihrer Sicht für den Zuschauer?
Ein solches Kopierschutzsystem schränkt die Zuschauerinnen und Zuschauer erheblich ein. Künftig wird es von den Auflagen der Rechteinhaber abhängig sein, ob bestimmte Sendungen digital aufgenommen werden können, ob zeitversetztes Fernsehen möglich ist, ob Aufnahmen auf dem eigenen Festplatten- oder DVD-Recorder zeitgesteuert gelöscht werden oder auf welchen Endgeräten solche Sendungen generell und wie oft abgespielt werden dürfen. CPCM bedeutet, dass die Nutzungsoptionen nicht länger von den Zuschauerinnen und Zuschauer frei gewählt werden können, sondern ihnen von den Rechteinhabern vorgegeben sind.
Welche Alternativen zu CPCM sehen Sie? Sollten ARD und ZDF nach Vorbild des ORF eher auf eine klassische Grundverschlüsselung setzen, um auf bestehende Standards wie CI und CI-Plus zurückgreifen zu können?
Mit 7,5 Milliarden Euro Einnahmen an jährlichen Rundfunkgebühren – die BBC hat über drei Milliarden Euro weniger – besitzen ARD und ZDF keine geringe Marktmacht. Sie sollten diese nutzen, um den Forderungen nach Digitalem Rechtemanagement und Kopierschutz durch die großen Hollywood-Studios offensiv entgegenzutreten. Die Sender stehen hier auch in der Verantwortung gegenüber ihren Zuschauerinnen und Zuschauern als Gebührenzahlern.
Vielen Dank für das Gespräch.
Alle Hintergründe zu den Plänen von ARD und ZDF lesen Sie in unserem Exklusivbericht. Über die technischen Hintergründe von DVB-CPCM klären wir Sie an dieser Stelle auf. Weitere Einzelheiten zum Damoklesschwert CPCM (Content ProtectionCopyManagement), das bei den öffentlich-rechtlichen Sendern über denKöpfender Zuschauer schwebt, erfahren Sie in der aktuellen DIGITAL FERNSEHEN 1/2011.In unserem vierseitigen Schwerpunkt finden Sie exklusive Statements derEuropean BroadcastingUnion und weiterer Branchenvertreter sowieInformationen zu einerähnlichen Lösung, die bereits bei der britischenBBC zum Einsatz kommt.
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