Die einen vermuten einen strategischen Schachzug, die anderen Chaos an der Führungsspitze und wirtschaftlichen Misserfolg: Anfang Mai verkündete Servus TV sein endgültiges Aus, das sich als nicht sehr endgültig herausstellte. Nicht einmal zwei Tage dauerte es, bis der österreichische Sender einen Rückzieher machte.
Am 3. Mai, einem Dienstagvormittag, überraschte der österreichische Fernsehsender Servus TV seine Zuschauer, Fans sowie die allgemeine Medienlandschaft mit folgender Mitteilung: „Obwohl wir Jahr für Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag in Servus TV investiert haben, lässt sieben Jahre nach Einführung die aktuelle Markt- und Wettbewerbssituation keine wirklich positive Entwicklung erwarten.“ Der in Salzburg ansässige Sender, der sich im Besitz der Red-Bull-Tochterfirma Red Bull Media House GmbH befindet, sei wirtschaftlich nicht mehr tragbar, hieß es in einer Erklärung an die Presse. Folglich seien notwendige Konsequenzen gezogen worden und der Sendebetrieb sollte Ende Juni 2016 eingestellt werden.
Kurioses Hin und Her beim Servus TV Abschied
Was kurz danach passierte, gestaltete sich allerdings noch weitaus kurioser und führte zu jeder Menge Spekulationen, inklusive Überschriften mit Spielen zum Wort „Servus“: Etwa 30 Stunden nach dem verkündeten Aus machte man einen Rückzieher. Es sei zu erfolgreichen Verhandlungen zwischen Red-Bull-Chef und Servus-TV-Gründer Dietrich Mateschitz sowie den Spitzen von Gewerkschaften und Arbeiterkammer gekommen. Ein weiterer Grund für die bevorstehende Stilllegung des Senders, den der 71-jährige Multimilliardär Mateschitz später noch bestätigen sollte, war nämlich der Plan einiger Mitarbeiter, einen Betriebsrat zu gründen. Dies sollte per Internetabstimmung entschieden werden, was wiederum Mateschitz sehr erzürnte.
Es folgte der Entschluss, den Betrieb aufzugeben. Ein Entschluss, der von einigen Publikationen vor allem als taktischer Schachzug ausgelegt wird, um jegliches Aufbegehren innerhalb der eigenen Firmenreihen zu unterbinden. Allerdings gab es auch rein pragmatische und wirtschaftliche Gründe, den Sender weiterleben zu lassen: „Da hätte man viel Geld ausbezahlen müssen, so wie manches Wettbüro viel Geld für einen deutschen Lizenzerwerb ausgeben muss,“ so ein Medienexperte des Portals OpenOdds. Gemeint sind damit die zahlreichen Lizenzverträge, die man hätte ausbezahlen müssen und die für den Red-Bull-Chef immense Kosten verursacht hätten.
Schwere Zeiten in allen Bereichen von Servus TV
Unter anderem handelt es sich hierbei um die Rechte an der österreichischen Eishockey-Liga, die sich der Sender kurz vor der Bekanntgabe der Schließung sicherte. Dies schließt die kommenden drei Spielzeiten und eine Option auf weitere zwei Jahre mit ein. Darüber hinaus kam es schon einen Monat vor den turbulenten Ereignissen zu einem gravierenden Wechsel in der Chefetage: Geschäftsführer Martin Blank verließ den Salzburger Sender und wurde durch Ferdinand Wegschneider ersetzt.
Wegschneider hat den Vorgänger des Senders, Salzburg TV, mitbegründet und verantwortete bei Servus TV den Bereich Informationen und Aktuelles. Dieser Wechsel an der Führungsspitze lag vermutlich in dem mangelnden Erfolg des General Managers Blank begründet: Sowohl die Übertragungen der Deutschen Eishockey Liga als auch das neu eingeführte Frühstücksfernsehen blieben hinter den Erwartungen zurück. Insgesamt sprachen die verschiedenen Sendekategorien zu wenig Zuschauer an und geplante, fiktionale Formate kamen ebenfalls nie zustande. Auch wenn dieses Hin und Her hinter den Kulissen wie ein heilloses Durcheinander wirken mag, zeigt es dennoch, dass konkrete Pläne für die Zukunft bestanden, die noch weit über Ende Juni 2016 hinausgingen.
Hochgepokert oder Festhalten an einem Herzensprojekt namens Servus TV?
Die Erleichterung der rund 264 Mitarbeiter, sich nicht auf Jobsuche begeben zu müssen, ist wahrscheinlich groß und verständlich. Dennoch mutet gerade diese zeitliche Abfolge der Ereignisse – Umstellungen bei Programm und Personal, aufkommender Betriebsrat, Ankündigung, den Sender zu schließen – verdächtig an und veranlasste die Medien und jeden beiläufigen Beobachter zu Mutmaßungen, die sich weder bestätigen noch widerlegen lassen. Auch ein offener Brief, den etwa 200 Mitarbeiter unterschrieben und der besagt, dass kein Betriebsrat erwünscht sei und dass es kaum einen besseren, sozialeren Arbeitgeber als Servus TV gäbe, konnte diese Zweifel nicht zerstreuen. Ganz im Gegenteil, auch bei der Entstehung dieser Liste soll Gerüchten und Insidern zufolge, großer, interner Druck und Verunsicherung involviert gewesen sein.
Viel nachweisen lässt sich von diesen Spekulationen und Hörensagen natürlich nicht. Sicher scheint nur, dass von den wirtschaftlichen Problemen kaum noch die Rede ist. Vielmehr zeigt man sich erfreut darüber, dass ein äußeres Einwirken durch eine Gewerkschaft innerhalb des Unternehmens keinesfalls erwünscht sei. Der Gründungsidee eines Betriebsrates sei sogar von außen initiiert worden.
Arbeiterkammer und Gewerkschaft erst bestürzt dann versöhnlich
Die Arbeiterkammer und Gewerkschaften zeigten sich natürlich zunächst bestürzt über Mateschitz‘ Vorgehensweise und betonten das Grundrecht für Arbeitnehmer, sich gewerkschaftlich organisieren zu dürfen. Das spätere, persönliche Gespräch zwischen AK- und ÖGB-Vorstand Siegfried Pilcher und Mateschitz sei allerdings von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt gewesen. Weiterhin kam Pilcher zu dem Schluss, dass man die Einstellung der Belegschaft respektieren und akzeptieren müsse, wenn diese keinen Betriebsrat und kein gewerkschaftliches Eingreifen erwünsche. Vor allem ginge es Pilcher um den Erhalt des Unternehmens und der dazugehörigen Arbeitsplätze. Für Dietrich Mateschitz fand er letztendlich nur lobende Worte: „Es zeigt die Größe des Herrn Mateschitz, dass er bereits am Tag danach dazu bereit ist, eine derartige Entscheidung zurückzunehmen. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Der Geschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) Gerald Forcher zeigte sich ebenfalls erfreut über das Ergebnis und bestand darauf, dass die grundlegende Idee eines Betriebsrates nicht verraten oder unterwandert wird.
Ambitioniertes Programm, das nicht von Erfolg gekrönt ist
Servus TV ist ein Leidenschaftsprojekt für den 1944 in St. Marin in der Steiermark geborenen Geschäftsmann und Red-Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz, der nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften in den Marketing-Abteilungen von unter anderem Blendax und Jacobs Kaffee arbeitete. Seit den Anfängen im Jahr 2009 fokussierte sich Servus TV eher auf ein anspruchsvolles und aufwendig produziertes Fernsehen. Zu den Programmpfeilern des Senders gehören:
- Nachrichten und Magazine
- Dokumentationen und Porträts (wie zum Beispiel eine Dokumentationsreihe „Terra Mater“ zu Themen wie Natur, Geschichte und Wissenschaft)
- Unterhaltung (Kino-Zeit und Talkshows)
- als Volkskultur-Sendungen werden Sendungen wie „kulTOUR“ und Volksmusikshow „Hoagascht“ gezeigt
- Sportprogramm mit „Servus Hockey Night“ und diversen anderen Sportshows
- Red-Bull-TV-Fenster präsentiert unter anderem 3D-Ausstrahlungen
Ein ambitionierter Versuch, anspruchsvolles Programm für den österreichischen Zuschauer aufzuarbeiten, der bisher allerdings auf wenig Gegenliebe stößt. Wie es in Zukunft mit dem Sender weitergehen soll oder kann, bleibt abzuwarten. Der Druck, das Ruder rumzureißen, sollte für den neuen Geschäftsführer Ferdinand Wegschneider und seine Belegschaft dementsprechend groß sein. Sicher scheint nur, dass keine Millionenbeträge mehr in das Projekt fließen können, ohne dass entsprechende Gewinne erwirtschaftet werden. [kw]
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