Kommentar: Streit ums Geld lässt Zuschauer außen vor

6
110
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

Auch im zweiten Anlauf hat es Google mit seiner androidbasierten TV-Oberfläche nicht leicht. Nachdem bereits die RTL-Gruppe sich dagegen sträubt, seine Inhalte bei Google TV zur Verfügung zu stellen, feuert nun auch der Axel Springer Verlag gegen den Internet-Riesen. Ist das das Aus für Google TV?

Auf das, was ein RTL-Unternehmenssprecher im Internetportal „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ am Samstag zum Besten gab, reagierte die Redaktion vom Auerbach Verlag nur mit einem müden Lächeln. Man scheue sich zwar nicht vor Wettbewerb, habe bekanntlich aber etwas dagegen, dass Dritte versuchten, die „von uns aufwendig erstellten Inhalte auf unsere Kosten zu kommerzialisieren“. Die etlichen und stetig wachsenden Scripted-Reality-Formate al a „Mitten im Leben“ und „X-Diaries“ haben mittlerweile jedoch nichts mehr mit „aufwendig erstellten Inhalten“ zu tun.
 
Einmal abgesehen von der äußerst fragwürdigen Darstellung – und regelmäßigen geschmacklosen Bloßstellung – der Protagonisten, verlangt die Produktion der täglich ausgestrahlten Serien nicht viel Können und Aufwand. Wohl eher geht es RTL darum, dass Google mit seinem TV-Projekt das große Geld machen und dem Medienriesen somit wichtige Werbeeinnahmen wegnehmen könnte.

Mittlerweile hat sich nun mit dem Axel Springer Verlag ein weiterer wichtiger deutscher Medienkonzern zu Google und dem umstrittenen Leistungsschutzgesetz zu Wort gemeldet. Selbstverständlich will auch Axel Springer ein Stück vom Google-Kuchen abhaben. So hat Mathias Döpfner, Vorstand der Axel Springer AG, den Suchmaschinengiganten in einem Interview gegenüber der Wochenzeitung „Zeit“ scharf angegriffen. Google wolle nur erzkapitalistische Interessen durchsetzen und sein Geschäftsmodell optimieren. „Das ist so, als würde eine Hehlerbande bei Amnesty International eine Menschenrechtspetition zur Verteidigung der freien Bürgerrechte beim Ladendiebstahl einreichen“, übt der Vorstandschef mit einem gewagtem Vergleich harsche Kritik an Google.
 
Was Herr Döpfner dabei jedoch lieber nicht vergessen sollte, ist dass Google ganz leicht Suchergebnisse zu Publikationen von Axel Springer zu seinen Gunsten und zum Ärger des Verlags verlagern oder gar verschwinden lassen kann. Doch Döpfner scheint nichts aus der Ruhe zu bringen. Google solle sich nach Ansicht des Vorstandschefs mit den Verlegern erst einmal an den Tisch setzen und über den Preis verhandeln. Dass die Axel Springer AG am liebsten für etwas bezahlt werden möchte, was offiziell allerdings überhaupt nichts kostet, ist zwar fragwürdig, scheint für den Medienkonzern allerdings selbstverständlich zu sein.
 
Der Chef-Lobbyist des Verlags, Christoph Keese, hat nun das Feuer noch mehr angefacht und sich deutlich im Ton vergriffen. Im Interview mit dem Online-Portal „Horizont“ vergleicht er den US-Konzern als „eine Art Taliban“, der sich gegen jeden Fortschritt wehrt und zu keinerlei Verhandlungen bereit sei. Spannend bleibt, wer diese verbale Entgleisung nun noch toppen will, nur um Aufmerksamkeit für sich zu erwecken.
 
Im Tumult um die Medienschlacht der großen Konzerne, bei der es jedem im Grunde genommen nur um den eigenen Profit geht, bleiben die Konsumenten – wie leider viel zu oft – auf der Strecke. Zuschauer, die überlegen sich eine Google-TV-Box zuzulegen, verzichten so wegen fehlender Inhalte der TV-Anbieter auf einen Kauf, was im Umkehrschluss wieder dem Suchmaschinenkonzern schadet. In Folge dessen läuft alles wohl darauf hinaus, dass Google TV auch im zweiten Anlauf keine Chance hat und trotz eines bekannten Namens der Untergang der Web-TV-Box bevor steht.
 
Klappt es nicht mit Google TV, so hat man ja immer noch seine Suchmaschine. Hier werden inzwischen täglich mehr als drei Milliarden Suchanfragen getätigt. Kein Grund zur Sorge also für Google. Hier lässt sich auch in den nächsten Jahren noch viel Geld scheffeln – welche Konsequenzen die Klicks der Internet-User auch für sie haben, müssen die Nutzer ja nicht unbedingt wissen. [Maria Hollwitz]

Bildquelle:

  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
6 Kommentare im Forum
  1. AW: Kommentar: Streit ums Geld lässt Zuschauer außen vor Google TV agiert weltweit, und weltweit sind Sendergruppen wie RTL völlig bedeutungslos. Die richtig großen und wirklich wichtigen Sendergruppen kämpfen gerade selbst mit gewaltigen Quotenrückgängen, während Plattformen wie Netflix oder iTunes, Hulu Plus oder auch die OnDemand-Dienste von Comcast, Dish Network gewaltig zulegen. Die PVR +7 Quoten werden immer bedeutsamer. Der klägliche Versuch von RTL, Senderechte vom Markt zu kaufen, um sie anschließend exklusiv zu senden, unter Diktatur willkürlicher Pflichten auferlegt auf den Zuschauer, ist bereits jetzt zum scheitern verurteilt. In Zukunft wird es nur noch 2 Parteien geben: Den Produzenten/Autor und den Konsumenten/Zuschauer. Dazwischen wird sich eine unendlich große Anzahl von Distributoren (darunter auch GoogleTV) befinden, die alle ohne Exklusivrechte die identischen Rechte verteilen. In diesem System taucht weder RTL noch Bertelsmann auf. Nachdem sich bereits die Musikindustrie bei dem Szenario gewaltig die Hände auf der Herdplatte verbrannt hat, versucht's RTL nun ebenfalls - aber diesmal ohne Handschuhe.
  2. AW: Kommentar: Streit ums Geld lässt Zuschauer außen vor Ich schrieb aber weltweit, da spielt die Grundverschlüsselung keine Rolle. Man mag zwar noch einwenden, dass in den USA das Kabel ja praktisch auch grundverschlüsselt sind, die genannten Sendergruppen/Networks sind aber via Antenne komplett FTA.
  3. AW: Kommentar: Streit ums Geld lässt Zuschauer außen vor Sehr schön beschrieben. Ich hoffe ja immer noch, dass das Szenario nicht ganz so kommen wird, aber schaun wir mal. Ich habe jedenfalls keine Lust, mit Hunderten von Anbietern Verträge abzuschliessen, um ein einigermassen breites Angebot zu bekommen.
Alle Kommentare 6 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum