Endlich britisches Pay-TV von BSkyB legal in ganz Europa abonnieren? Obacht: Wer das am Dienstag gefällte Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg in diese Richtung interpretiert, befindet sich auf dem Holzweg.
Das Wichtigste vorweg: „Nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen“ sind laut Urteil der luxemburgischen Richter tatsächlich unzulässig. Ein System von exklusiven Lizenzen verstoße auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union. Damit darf die Pub-Besitzern Karen Murphy aus dem englischen Portsmouth künftig legal eine Decoderkarte der griechischen Pay-TV-Plattform Nova nutzen, um ihren Gästen die britische Premier League kostengünstig zu zeigen. Der teurere nationale Konkurrent BSkyB geht leer aus.
Allerdings, und diese entscheidende Nuance geht im Jubel der Pay-TV-Community um die Entscheidung nahezu unter, die Richter pochten auch auf die Einhaltung des Urheberrechts. Während den gezeigten Fußball-Partien selbst kurioserweise keine Schutzwürdigkeit zugebilligt wurde, sieht das EuGH die Zustimmung des Urhebers für eine „öffentliche Wiedergabe“, also etwa in Murphys Pub, bei der Auftaktvideo-Sequenz der Premier-League-Übertragungen oder der Musikhymne der britischen Liga als erforderlich an.
Welche Auswirkungen das Urteil auf den europäischen Pay-TV-Markt als Ganzes hat, werden Rechtsexperten in den nächsten Tagen einzuschätzen haben. Dabei sind Konflikte vorprogrammiert. Ist der Richterspruch nicht nur auf Fußball, sondern auch auf Spielfilme und Serien anzuwenden, so dass alle nationalen Grenzen fallen und Zuschauer sich künftig – Sprachhürden mal beiseite gelassen – aus dem Gesamtangebot in Europa das für sie günstigste Angebot aussuchen und direkt beim Anbieter abschließen können?
Ein Schlaraffenland, eine verführerische Vorstellung, aber auch hier dürfte das Thema Urheberrecht einen Riegel vorschieben. Verwertungsverträge sind in der Regel nur für einzelne Länder oder Sprachregionen abgeschlossen. Gerade die großen Hollywood-Studios, denen das Lizenzgeschäft Milliardenumsätze beschert, werden nicht kampflos hinnehmen, dass ein kleiner griechischer Pay-TV-Zwerg ihre Filme im englischen Originalton an Kunden in ganz Europa verbreitet und die Konkurrenz im Ausland deshalb wegen fehlender Exklusivität nur noch Kleckerbeträge anstelle der bisherigen Millionensummen überweist.
Dass auch der Zuschauer von der Entscheidung in Luxemburg profitiert, ist aber abzusehen. Das Rechtequartett wird neu durchgemischt, die Weichen für mehr Konkurrenz und damit niedrigere Preise sind gestellt. Großer Verlierer des heutigen Urteilsspruchs sind die Ligaverbände in Europa, denen künftig massive Einbußen in der Kasse drohen. Die „gefährlichen Zeiten“, die der seit Monaten als Kämpfer für höhere TV-Gelder ins Feld ziehende Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenige prognostiziert, haben begonnen. Immerhin tragen allein die nationalen TV-Erlöse ein Drittel zum Umsatz der deutschen Bundesliga-Clubs bei. [Kommentar von Alexander Rösch, Chefredakteur DIGITALFERNSEHEN.de]
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