Immer wieder kommt in diesem Sommer die Diskussion um die Zukunft der Digitalkanäle von ARD und ZDF auf. Oft geht es dabei um Einsparpotential. Dabei drohen die Rundfunkanstalten ihre Zukunft zu verspielen, wenn sie nicht endlich damit beginnen, ihr Programmangebot zu diversifizieren, um in einer Gesellschaft relevant zu bleiben, die sich immer weniger in ein einziges Schema pressen lässt.
Die Diskussion um die sogenannten Digitalkanäle von ARD und ZDF will scheinbar in diesem Sommer nicht abreißen. Während es im April und im Mai vor allem der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor und ZDF-Intendant Thomas Bellut waren, die eine Diskussion um Zukunft, Verschmelzung oder gar Einstellung der Spartenkanäle EinsPlus, Einsfestival, Tagesschau24 (ARD) sowie ZDFneo, ZDFinfo und ZDFkultur (ZDF) führten, so meldeten sich zwischendurch auch immer wieder verschiedene Medienpolitiker zu Wort – zuletzt die CDU-Politikerin Julia Klöckner.
Ein Tenor bleib dabei immer gleich: Um Kosten zu senken und die Hauptprogramme nicht zu schwächen, soll die Anzahl der Spartenkanäle möglichst nicht erhöht, am besten sogar verringert werden. Während das Anliegen, die Kosten für den Gebührenzahler moderat zu halten, durchaus zu Begrüßen ist, wäre dieser Weg dennoch der vollkommen falsche. Denn die Spartenkanäle sind die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Die Forderung nach jeweils einem starken Hauptkanal bei ARD und ZDF, der möglichst für alle Bevölkerungsschichten ein ansprechendes Programm liefern soll, wirkt in Zeiten, in denen die TV-Landschaft beginnt, sich immer stärker zu fragmentieren, zumindest perspektivisch völlig überholt. Gerade ARD und ZDF, die beide mit dem gesetzlichen Auftrag antreten, nach Möglichkeit ein Programmangebot für die gesamte Gesellschaft bereitzustellen, werden in Zukunft mehr als alle anderen Rundfunkhäuser auf mehrere Sender angewiesen sein.
Bereits heute ist die universelle Akzeptanz der Programme Das Erste und ZDF faktisch eine Illusion, denn besonders bei jüngeren Zuschauern spielen die beiden Sender über weite Strecken überhaupt keine Rolle mehr, während sie sich beim älteren Publikum nach wie vor ungebrochener Beliebtheit erfreuen. Alle Versuche hier durch Programmanpassungen die Akzeptanz zu Gunsten der jüngeren Zuschauergruppen zu erhöhen, würden höchstwahrscheinlich direkt zu deutlichen Zuschauereinbußen bei den Älteren führen. Die Furcht der Programmverantwortlichen davor, hier entsprechend radikale Änderungen vorzunehmen, ist daher durchaus verständlich.
Genau hier sollten die Digitalkanäle eine stärkere Rolle spielen. Anstatt diese weiterhin stiefmütterlich zu behandeln und alle paar Monate wieder öffentlich in Frage zu stellen, sollte hier endlich konsequent mit dem Aufbau von Programmangeboten begonnen werden, die auch jene Bevölkerungsschichten ansprechen, die sich bei Das Erste und ZDF nicht mehr zu Hause fühlen.
Dabei darf es auch nicht Sinn und Zweck der Sache sein, jedes in den Spartenkanälen halbwegs gut funktionierende und etablierte Format irgendwann auf einem suboptimalen Sendeplatz ins Hauptprogramm zu quetschen. Moderne Fernsehgeräte werden immerhin mit Fernbedienungen ausgeliefert, die jederzeit einen Senderwechsel ermöglichen. Rein theoretisch sind damit Einsfestival und ZDFneo genauso leicht zu erreichen wie Das Erste und ZDF. Die Rundfunkanstalten müssten nur endlich damit beginnen, diese Sender auch selbst als mehr wahrzunehmen, statt sie nur als Experimentierstationen zu verkaufen. Ihnen, wie auch der Politik, muss klar werden, dass ohne eine größere Akzeptanz der Digitalkanäle auch die Akzeptanz und Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt in den kommenden Jahren deutlich schwinden wird – und das wäre schade.
Geld sollte dabei nicht das entscheidende Argument sein. Denn Einsparpotential gibt es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk an anderer Stelle. Unter anderem muss man sich fragen, ob neun verschiedene Landesrundfunkanstalten auf Dauer finanzierbar und sinnvoll sind. Diese mögen unterm Strich zwar alle gute Arbeit leisten – sie leisten sich aber eben auch neun verschiedene Rundfunkräte und Verwaltungsapparate. Für den Zuschauer und Beitragszahler wird jedoch immer am relevantesten sein, was für das Geld, das er zahlt, letztlich wieder bei ihm ankommt. Hauptschlich daran – dessen müssen sich Politik sowie Vertreter von ARD und ZDF bewusst sein – wird sich letztlich nicht nur die Akzeptanz des Programms bemessen, sondern die des gesamten öffentlich-rechtlichen Systems.
Die Diskussion um die Zukunft der Digitalkanäle ist deshalb nicht unbedingt negativ zu bewerten. Entscheidend wird sein, wie man diese nutzt und ob es den Verantwortlichen gelingt, daraus die Schlüsse zu ziehen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf dem Weg in seine eigene Zukunft endlich voranbringen. [Patrick Schulze]
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