
Leipzig – Die Anbieter von Pay-TV in Deutschland, allen voran Premiere -setzen auf proprietäre Boxen, d.h. nur mit der von ihnen bereit gestellten Box lässt sich das Programm auch decodieren.
Früher herrschte Ordnung im deutschen Wohnzimmer. In der Nähe des Fernsehers stand die – früher analoge, heute digitale Set-Top-Box, daneben, wenn vorhanden, der Audio-Receiver. Fertig und aus. In Pay-TV-Zeiten wandelt sich das, denn jeder Pay-TV-Abosender erlaubt den Empfang seiner Programme nur die von ihm lizenzierten Boxen, alles andere ist illegal. Die Freiheit des Kunden gibt es – sie liegt darin, entweder Abonnent zu sein und mit dem Zwangsreceiver zu arbeiten, oder es halt zu lassen.
Sollen wir Konsumenten uns das in der Zukunft wirklich bieten lassen? Receivertürme im Wohnzimmer mit entsprechendem Energieverbrauch, Zwangsgeräte, die außer dem Decodieren des einen Pay-TV-Anbieters faktisch nichts können, was mit dem Begriff „Konsumentenfreundlichkeit“ zu umschreiben wäre, keine freie Wahl der Set-Top-Box nach eigenen Vorstellungen von Ausstattung und Design….
Die Argumente gegen die so vollmundig offerierten „proprietären Boxen“, die doch so konsumentenfreundlich sein sollen, sich zahlreich. Dazu gehört – gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise – auch einen Gedanken an die heimische Elektronikindustrie zu verschwenden. Wenn die Zwangsboxen nur noch von einigen wenigen Herstellern kommen, grenzt man automatisch alle anderen Marktteilnehmer aus.
Kann das Sinn der Sache sein?
Sollte in einer funktionierenden Marktwirtschaft nicht eigentlich derjenige Set-Top-Boxenhersteller die meisten Kunden sichern, der die attraktivste, vielseitigste und vielleicht sogar noch preiswerteste Box baut? Eigentlich schon! Auf jeden Fall sollte der König Kunde entscheiden können, welche Box er in sein heimisches Wohnzimmer er stellt, und nicht der Pay-TV-Anbieter zu dessen Kunden er zählt.
Insofern erstaunt es, dass von den heimischen Receiverherstellern kaum ein Aufschrei ob der Pläne der Abosender zu vernehmen ist. Haben sie klammheimlich schon kapituliert? Im Verbraucherinteresse will ich das nicht hoffen.
Wenn sich die Pay-TV-Anbieter dazu durchringen könnten, offene Boxenstandards einzuführen und zu unterstützten, dann wäre das wirklich eine PREMIERE.
Allein die Praxis spricht eine andere Sprache. Und so werden es wohl erst wieder das Kartellamt und die EU-Wettbewerbshüter richten müssen.
Schade eigentlich – und gar und gar nicht kundenfreundlich.
Uwe Gajowski[mg]
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