
Joyn-CEO Katharina Frömsdorf erklärt im Interview mit DIGITAL FERNSEHEN, was den selbst ernannten Superstreamer von anderen Streamingdiensten unterscheidet und auf welche Neuigkeiten sich die Nutzer in diesem Jahr noch freuen können.
Während sich ProSiebenSat.1-CEO Bert Habets auf die anstehende Übernahme durch den Mailänder Großaktionär MediaforEurope (MFE) vorbereiten muss, kann sich die Joyn-Chefin Katharina Frömsdorf auf die Weiterentwicklung des hauseigenen Streamingdienstes konzentrieren. Dabei geht es nicht nur um neue Inhalte, sondern auch die technische Plattform.
DIGITAL FERNSEHEN: Frau Frömsdorf, wie ist die Entwicklung von ProSiebenSat.1 von Streaming vs. Linear?
Frömsdorf: Joyn ist das Herzstück der ProSiebenSat.1-Entertainment-Strategie. Jeder Euro, den wir in Content investieren, zahlt auf Joyn ein. Und das funktioniert: Unser Superstreamer schreibt eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte und wächst bei der Watchtime und den monatlichen Video-Nutzerinnen und Nutzern jeden Monat dynamisch im zweistelligen Bereich. Im März erreicht Joyn zum dritten Mal in Folge einen neuen Reichweitenrekord mit 9,8 Millionen Nutzern (Z ab 3) – ein schönes Wachstum um 77,8 Prozent im Vergleich zum April 2024. Im Vergleich zum vorherigen Rekordmonat Februar wächst Joyn um sehr gute 19,2 Prozent. Die Sender unserer Gruppe sind die passgenaue Ergänzung zu Joyn, beide – digitale wie lineare Reichweiten und Inhalte – greifen reibungslos ineinander und ergänzen sich auf ideale Weise.
Wo sieht sich ProSiebenSat.1 mit Joyn in drei bis fünf Jahren?
Klar ist: Wir werden mehr explizit hybride Inhalte haben. Plakativstes Beispiel dafür ist das große Reality-Schiff „Promi Big Brother“, das in Sat.1 zu den Höhepunkten des Jahres gehört und dessen 24/7-Livestream auf Joyn regelmäßig Nutzungs-Rekorde erzielt. In drei bis fünf Jahren werden wir immer mehr dieser Programme mit linearem und digitalen Erzählstrang im Programm haben. Unser Ziel ist es, der reichweitenstärkste private Streaminganbieter zu werden.
Welche Genres treiben Streaming voran?
Die erfolgreichsten Streaming-Genres auf Joyn sind insbesondere Shows wie „Germany’s Next Topmodel – by Heidi Klum“, die Realitys „Promis unter Palmen“, „Reality Backpackers“ oder „Forsthaus „Rampensau“ sowie fiktionale Inhalte wie der Sat.1-Serienhit „Die Landarztpraxis“ und „Die Spreewaldklinik“ oder aus dem Lizenzbereich der „NCIS“-Kosmos. Auch Show-Highlights unserer Sendergruppe wie „Joko und Klaas gegen ProSieben“, „Wer stiehlt mir die Show?“ oder „Promi Big Brother“ klettern regelmäßig an die Spitze der erfolgreichsten Inhalte auf Joyn.
„Unsere Streaming-Plattform zeichnet sich dadurch aus, dass nahezu alle Inhalte für die Zuschauer kostenlos verfügbar sind.“
Wie ist die Situation bezüglich der Mitbewerber?
Joyn wächst und wächst und wächst. Unsere Streaming-Plattform zeichnet sich dadurch aus, dass nahezu alle Inhalte für die Zuschauer kostenlos verfügbar sind. Das ist im deutschsprachigen Markt in dieser Form einmalig, denn: Das gilt für die Live-TV-Sender genauso wie für die Video-on-Demand-Inhalte. Und damit sind wir bei den deutschsprachigen Nutzern sehr erfolgreich. Betrachtet man unseren Streamer aus Werbekundenperspektive ist klar: Nur wir als ProSiebenSat.1-Gruppe können dem Werbemarkt das Angebot aus den immer noch sehr starken TV- kombiniert mit den rasch wachsenden digitalen Reichweiten machen – insbesondere auf dem Connected-TV – nicht nur, aber vor allem auf Joyn. Unser Superstreamer hat eine Profi-Vermarktungsorganisation mit großem Know-How im Rücken: Das ist die DNA von ProSiebenSat.1.
Wie wichtig sind Eigenproduktionen für Streamingplattformen?
ProSiebenSat.1- und Joyn-Eigenproduktionen spielen bei uns eine zentrale Rolle, denn nur sie unterscheiden Joyn von nationalen wie internationalem Konkurrenten. Und nicht nur das: Sie sind mehrheitlich unter den großen Zuschauerlieblingen vertreten. Es sind ProSiebenSat.1-Marken wie „Die Landarztpraxis“, „Wer stiehlt mir die Show?“ und „Germany’s Next Topmodel“, die auf Joyn regelmäßig zu den größten Erfolgen gehören. Kernstrategie ist: Wir haben auf Joyn kostenlos Inhalte für alle Zielgruppen im Angebot – von Creator-Abenteuer-Reality für die jungen und Social-Media-affinen Zuschauer:innen bis hin zur großen Unterhaltungsshow für die ganze Familie mit „The Voice Kids“.
Welche Rolle wird KI bei ProSiebenSat.1 in der Zukunft spielen (wenn überhaupt)?
KI ist das Thema der Stunde – auch bei uns. Jüngstes Beispiel ist der erste komplett KI-generierte TV-Spot, den unser Vermarkter Seven.One Media für Lacalut entwickelt hat. Ganz sicher war das erst der Anfang einer Reihe innovativer Ideen, die ProSiebenSat.1 in den kommenden Monaten umsetzen wird. Auch bei Joyn kommt KI bereits an verschiedenen Stellen zum Einsatz, ein besonderes Highlight wird demnächst unser neuer KI-basierter TV- und Streaming-Assistent sein. Ganz aktuell können sich die Nutzer auf Joyn mit Hilfe von KI in ihrem eigenen #GNTM-Topshot inspiriert von den beliebtesten Shootings der letzten 20 Jahre inszenieren. AI wird für unsere digitale Transformation ein zentraler Baustein sein. Mit der zentralen AI-Unit hat ProSiebenSat.1 eine strategische Einheit geschaffen, die verschiedenen KI-Projekte des Unternehmens koordiniert und zusammenführt. Gleichzeitig fördern wir die Begeisterung aller Teams in verschiedensten Bereichen, um mittels künstlicher Intelligenz nicht nur Effizienzen zu steigern, sondern auch neue kreative Projektansätze für den Zuschauer- und den Werbemarkt zu schaffen.
Wird non-linear linear ablösen und wann rechnen Sie damit?
Das ist Glaskugel-Guckerei, an der ich mich nur ungern beteiligen möchte. Fakt ist: Joyn schreibt eine Wachstumsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Video on Demand wächst dynamisch, auch die Livestreams unserer TV-Sender sind bei den Zuschauern immer beliebter. Dazu kommen zahlreiche FAST-Channel, von denen wir in diesem Jahr weitere 30 online nehmen werden. Damit ergänzt Joyn unsere immer noch sehr großen linearen Reichweiten ideal im digitalen Bereich. Eine perfekte Symbiose, denn: Damit verdienen wir unsere Brötchen. Mit der größtmöglichen vermarktbaren Reichweite.
Da Sie gerade davon sprechen: Wie ist denn das Verhältnis von Gesamtreichweite zu vermarktbarer Reichweite auf Joyn?
Wir können regelmäßig über 90 Prozent unserer monatlichen Gesamtreichweite vermarkten – auch wenn das manche unserer Mitbewerber nur ungerne hören (lacht). Das bedeutet, dass unsere Strategie als im Kern kostenloser, weil werbefinanzierter Streaming-Anbieter aufgeht. Im Klartext heißt das: Im März haben wir laut AGF 9,8 Millionen Zuschauer insgesamt erreicht. 9,5 Millionen davon sind vermarktbar. Das sind rund 96 Prozent der Nettoreichweite laut AGF, die unser erfahrener Vermarkter Seven.One Media unseren Werbekunden und Agenturen anbieten kann.
Erzählen Sie uns mehr zur Wachstumsgeschichte von Joyn. Sind Netflix, Amazon und Co. der Maßstab, an dem Sie Ihren Erfolg messen?
Die globalen Streaming-Anbieter setzen nahezu alle im Schwerpunkt auf SVoD, also auf ein Abo-basiertes Streamingangebot – zumindest haben sie das in der Vergangenheit getan. Spannend ist, dass nun auch bei diesen vermeintlichen Pay-Giganten Kundenangebote mit Werbung wie Pilze aus dem Boden schießen. Der große Unterschied zu Joyn ist allerdings: Erstens zahlen unsere Nutzer nicht einen Cent für unsere Inhalte – egal ob linear oder on Demand. Und Zweitens haben wir mit unserem Vermarkter Seven.One Media einen erfahrenen Branchen-Primus im Rücken. Die Kombination aus den linearen Reichweiten mit dem digitalen-Joyn-Angebot für unsere Werbekunden hat niemand außer uns. Das macht uns einzigartig.
„Die Kollegen von der Produktentwicklung haben noch jede Menge weitere Features in ihrer Werkzeugkiste.“
Wie wird sich Joyn 2025 in punkto Nutzerfreundlichkeit weiterentwickeln?
2025 steht auf Produktseite bei Joyn zu 100 Prozent im Zeichen der Nutzerfreundlichkeit. Unser Livebereich wird gerade Schritt für Schritt für alle Betriebssysteme und Endgeräte neu gestaltet mit einem völlig neuen Einstieg, damit unsere Nutzer reibungslos zwischen ihren Lieblingschannels zappen können. Unser bereits erwähnter KI-basierter Streaming-Assistent hilft dabei, dass die Zuschauer ihre Lieblingsinhalte noch einfacher entdecken können. Und die Kollegen von der Produktentwicklung haben noch jede Menge weitere Features in ihrer Werkzeugkiste.
Wie planen Sie Ihre Reichweite weiter auszubauen?
Das Rückgrat unserer Reichweite ist wie bei jedem Streamer natürlich unser vielfältiges Streamingangebot für eine möglichste breite Zielgruppe bzw. spezifisch kuratierte Inhalte für jede Zielgruppe. Meine Kollegen aus den Content-Abteilungen arbeiten jeden Tag mit großer Expertise und Kreativität daran, unsere Zuschauerinnen und Zuschauer mit frischer Ware, die zu ihren Interessen und Bedürfnissen passen, zu versorgen. Außerdem sorgen wir kontinuierlich dafür, dass unsere Joyn-App auf so vielen Endgeräten wie möglich zur Verfügung steht. Das ist der Ausbau der sogenannten technischen Reichweite. In den nächsten Wochen und Monaten werden wir Joyn zum Beispiel in den In-Car-Entertainment-Systemen von Mercedes Benz und weiterer namhafter Automobilhersteller zur Verfügung stellen – mehr kann ich an dieser Stelle noch nicht verraten.
Vielen Dank für das Interview
Katharina Frömsdorf ist Chief Platforms & Growth Officer der Seven.One Entertainment Group und CEO von Joyn. Sie verantwortet neben Joyn, der Streaming Plattform der Seven.One Entertainment Group, den Bereich „Growth & Revenue Diversification“, in dem das digitale Entertainment-Business ergänzend zum klassischen TV- und Streaming-Geschäft des Medienhauses gebündelt ist.
Interview: aw / Redaktion DF: fp
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Bildquelle:
- Katharina Froemsdorf CEO Joyn: Joyn