Unmittelbar nach der Katastrophe in Japan waren die Sorgen deutscher Unternehmen groß: Viele rechneten mit gravierenden Produktionsausfällen und Umsatzeinbußen. Inzwischen zeigt sich: Die Folgen sind hierzulande nicht so schlimm wie befürchtet.
Knapp ein halbes Jahr nach der Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan spüren Firmen in Deutschland kaum noch Auswirkungen. Die Lieferengpässe der ersten Wochen bei Elektronik-Bauteilen oder Kameras sind nach Angaben mehrerer Verbände und Unternehmen inzwischen weitgehend behoben. „Die Situation hat sich entspannt. Die Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Technik des Einzelhandels (BVT), Willy Fischel, in Köln. Das Beben im Nordosten Japans hatte am 11. März schwere Verwüstungen angerichtet.
„Es gab und gibt punktuell noch Engpässe bei der Warenverfügbarkeit, die uns noch bis in den Herbst hinein beschäftigen werden“, erklärte der Vorstandssprecher des Handelsverbunds Euronics, Benedict Kober. Insgesamt jedoch seien die Folgen für die Konsumelektronik-Branche „weit weniger dramatisch ausgefallen“ als erwartet. Es sei bemerkenswert, wie gut die japanischen Industriepartner die Versorgungsprobleme bewältigen konnten.
Bei ElectronicPartner (EP) hatten die Lieferverzögerungen in den Bereichen Digitalfotografie und Multimedia nach eigenen Angaben keine größeren Auswirkungen. „Vor allem waren diese nur marginal für den Endverbraucher spürbar“, sagte EP-Chef Jörg Ehmer. Bei der Einführung neuer Produkte hätten einige Hersteller allerdings Terminverschiebungen angekündigt.
„Die Produktion in Japan ist wieder weitgehend gefestigt. Lieferengpässe in Folge der Erdbebenkatastrophe sind in Deutschland nicht mehr spürbar“, sagte der Hauptgeschäftsführer des IT-Branchenverbands Bitkom, Bernhard Rohleder. Bei einer Mitgliederumfrage im Mai hatten noch rund 40 Prozent der IT-Firmen, die Produkte oder Bauteile aus Japan beziehen, Lieferengpässe beklagt; ein Fünftel der Firmen erwartete damals, dass Knappheiten bevorstünden.
Der Autoausrüster Continental kann nach anfänglichen Schwierigkeiten in den ersten Wochen nach dem schweren Beben wieder auf alle japanischen Lieferanten zurückgreifen. „Es läuft inzwischen alles in geordneten Bahnen ab“, berichtet eine Sprecherin in Hannover. Elektronik-Komponenten für die Antriebs-, Sicherheits- und Informationstechnik in Autos seien problemlos zu bekommen. Conti-Chef Elmar Degenhart hatte wenige Tage nach der Naturkatastrophe zunächst von Umsatzeinbußen „in einem überschaubaren Rahmen“ gesprochen. Zeitweilig war der Konzern auch von Produktionsrückgängen seiner Kunden in Japan betroffen.
Die plötzlichen Engpässe bei Elektronik-Bauteilen hätten im Frühjahr der gesamten Autobranche zu schaffen gemacht, sagte ein VW-Konzernsprecher in Wolfsburg. „Wir haben aber direkt am Tag nach dem Unglück eine Expertengruppe mit Einkäufern, Logistikern und Produktionsfachleuten gebildet, um uns über die Versorgungslage klar zu werden.“ Außerdem sei das Unternehmen nicht nur von einer einzigen Quelle abhängig. Deshalb sei die Produktion bei VW nicht beeinträchtigt worden. In Einzelfällen hätten Kunden auf Modelle mit bestimmten Sonderausstattungen etwas länger warten müssen.
Die japanischen Autohersteller Toyota, Mazda und Nissan haben ihre Lieferrückstände nach eigenen Angaben inzwischen aufgeholt. „Für unsere deutschen Kunden gibt es keine Verzögerungen mehr, die aus dem Unglück resultieren“, sagte ein Mazda-Sprecher. Allerdings werde sich die Katastrophe sicherlich auch in den Geschäftszahlen für das laufende Jahr niederschlagen, da die Produktion im April und Mai unterbrochen werden musste. Im abgelaufenen Geschäftsjahr, das bei Mazda am 31. März – also nach dem Erdbeben – endete, fuhr das Unternehmen einen Verlust von 500 Millionen Euro ein. Auch bei Toyota war der Absatz aufgrund von Lieferschwierigkeiten zurückgegangen. „Aber jetzt ziehen die Zahlen wieder an“, sagte eine Sprecherin. [Petra Albers/Jan-Henrik Petermann]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com