Claudius Seidl, Feuilleton-Chef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, hat sich – eher scherzhaft – als Intendantenkandidat beim ZDF ins Spiel gebracht. Im Interview spricht er über seine Motivation und das Ärgernis öffentlich-rechtliches Fernsehen.
Beim ZDF wird am kommenden Freitag (17. Juni) der neue Intendant gewählt. Einziger Kandidat für die Nachfolge von Markus Schächter ist bisher Programmdirektor Thomas Bellut. Wer sich für die Spitze des „Zweiten“ bewerben möchte, muss von mindestens einem der 77 ZDF-Fernsehräte vorgeschlagen werden.
„Mir liegen keine Hinweise vor, dass im Fernsehrat noch andere Kandidaten benannt werden“, sagt der ZDF-Fernsehratsvorsitzende Ruprecht Polenz hinsichtlich der angekündigten Bewerbung von Seidl. Auf Facebook hat der Journalist unterdessen fast 2 500 Unterstützer um sich geschart.
Herr Seidl, warum wollen Sie ZDF-Intendant werden?
Claudius Seidl: Das ist aus der Laune einer Glosse entstanden. In der Form eines Bewerbungsschreibens habe ich versucht, meine Kritik an das ZDF auf den Punkt zu bringen. Womit ich gar nicht gerechnet hatte, war dass ich schon am Erscheinungstag die ersten Zuspruchmails bekommen habe.
Was stört sie eigentlich an den Öffentlich-Rechtlichen?
Seidl: Die zirkuläre Existenz-Begründung: „Es muss uns geben, weil wir das Fernsehen nicht kommerziellen Anbietern überlassen können. Wir machen aber den gleichen Mist wie die kommerziellen Anbieter, weil wir Gebühren von allen verlangen und ein Programm für alle machen müssen.“ Mein Vorschlag zur Güte, um der Diskussion über Qualitäts- und Geschmacksfragen zu entkommen: Was gibt es auch ohne Gebühren? Das hat offenbar einen Punkt getroffen und artikuliert nun ein schwelendes Unbehagen mit ARD und ZDF.
Was mögen Sie denn am ZDF nicht?
Seidl: Ich bin eigentlich der genuine ZDF-Zuschauer. Wenn ich überhaupt fernsehe, dann schaue ich aber Arte, 3 Sat, ZDF Neo. Wenn ich im Kino einen Film verpasst habe, dann kommt er garantiert auf diesen Sendern – und eben nicht im ZDF. Kein Mensch guckt heute Serien im Fernsehen. Das liegt aber vor allem daran, dass sie kaum gezeigt werden. Serien wie „Breaking Bad“ oder „Mad Men“ sind gut synchronisiert, laufen aber nie im Hauptprogramm.
Also doch eine Frage des Geschmacks?
Seidl: Nein! Es geht mir um die Frage, was können die Öffentlich-Rechtlichen, was die Privaten nicht können. Ich bin kein allzu großer Fußballfan, habe mir aber in den letzten beiden Jahren die Champions-League auf Sat.1 angeschaut. Ich wüsste jetzt nicht, was man an der Leistung von Sat.1 auszusetzen hätte. Jetzt geht die Champions League zum ZDF, das kostet irre viel Gebührengelder – und wäre bei Sat 1 genauso gut aufgehoben.
Die Debatte trifft aber auf relativ geringes Interesse…
Seidl: Eigentlich wundert mich das. Das hat aber damit zu tun, dass es keine Lobby gibt, die das Öffentlich-Rechtliche in Frage stellt. Noch vor 30 Jahren, als das Privatfernsehen eingeführt wurde, haben die Konservativen noch vom „Linksfernsehen“ gesprochen. Mittlerweile sind alle Parteien für ARD und ZDF in ihrer jetzigen Form. Denn sie wissen: Im Kommerzfernsehen kommen sie überhaupt nicht vor
Was würden sie als erstes im ZDF tun?
Seidl: Ich würde mit den Leuten reden. Ein Konsens über das Programm wäre mit den Machern nicht schwer. Es müssen aber die gemauerten Strukturen des Apparats geknackt werden. Die Frage ist, inwiefern man vom Bewusstsein gefangen ist, dass sich die Struktur nicht ändern lässt. Wer, wenn nicht jemand von außen, kann sich das Bewusstsein über die Absurdität des Status Quo bewahren?
Aber was sofort weg muss, ist der Parteienproporz. Ein Konservativer, ein Linker, ein Konservativer, ein Linker – das hat mit den politischen Verhältnissen der Welt, in der wir leben, nichts mehr zu tun. Wir haben Wechselwähler, Leute, die nicht mehr am Rockzipfel der etablierten Parteien hängen, so wie das noch vor 30 Jahren war.
Was sagt Ihr Arbeitgeber zu Ihrer Bewerbung?
Seidl: Meinem Herausgeber Frank Schirrmacher hat das gefallen. Wenn es ernster wird, müssen wir nochmal reden.
Herr Seidl, vielen Dank für das Gespräch.[Interview: Esteban Engel]
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