Hella von Sinnen zeigt ab Mittwoch (15. Juni) in der neuen RTL-2-Sendung „Klick-Stars“ skurrile Internet-Clips. Im Interview beklagt die 52-Jährige mangelnden Einfallsreichtum im deutschen TV und singt ein Loblied auf Barbara Schöneberger.
Frau von Sinnen, warum haben Sie sich für diese Show entschieden?
Hella von Sinnen: Weil ich gerne für RTL 2 arbeiten möchte. Ich finde gut, was RTL 2 momentan macht. Es ist der einzige Sender, der noch experimentierfreudig ist, der neue Formate ausprobiert und Moderatoren eine Chance gibt. Ich finde, dass da ein ganz schöner Aufbruch im Moment zu beobachten ist und da bin ich gerne dabei.
Worauf führen Sie diese fehlende Experimentierfreude im deutschen Fernsehen zurück?
von Sinnen: Ich beobachte das zwar, kann das aber nicht wirklich analysieren. Einige Sender haben vielleicht wirklich kein Geld. Aber es gibt wohl scheinbar auch nicht genug kreative Köpfe in den Chefetagen.
Finden Sie denn die Idee, witzige Internet-Clips zu zeigen, so experimentierfreudig?
von Sinnen: Nee, das ist nicht experimentierfreudig. Aber RTL 2 macht ja ansonsten durchaus Experimente. Und sich dann am Mittwochabend um Viertel nach zehn auch auf ein erfolgreiches Konzept mit einer erfolgreichen Moderatorin zu besinnen – das halte ich für legitim. Die Leute sehen einfach gerne lustige kleine Häppchen im Fernsehen oder im Internet.
Sie selbst auch?
von Sinnen: Ich bin jetzt nicht so die große Freundin davon, wenn junge Männer auf Skateboards Treppen runterfahren und dann lang hinschlagen. Ich bin nicht besonders schadenfreudig und habe dann immer Phantomschmerz. Aber es sind in jeder Sendung von 40 Clips sechs, sieben dabei, bei denen ich persönlich herzlich lachen kann. Es gibt aber auch ganz ärgerliche Clips – über die angeblich talentiertesten und erfolgreichsten Frauen im Internet. Da sind so kleine sexistische Drecks-Clips dabei – von denen kann ich mich aber als Moderatorin zum Glück absetzen. Oder ich sage: Es könnte sein, dass ich am Ende der Sendung vor lauter Wut Teile meines Overalls und meine Brille verspeist habe.
Was sind das für Clips, die Sie so wütend machen?
von Sinnen: Das sind Frauen, die sich 80 Mal die Brüste haben aufpumpen lassen und dann ihre eigenen Internet-Shows machen – als Kochsendung getarnt – und die dann natürlich megaviele Klicks haben, weil die Jungs gerne Frauen mit dicken Möppen sehen. Und das strengt mich einfach an, weil ich immer noch eine Freundin des Naturbusens bin.
Haben Sie das Gefühl, dass RTL 2 sich genug von diesem Frauenbild abgrenzt?
von Sinnen: Ja, das ist eine gute Frage. Natürlich bin ich angestrengt, wenn ich „Frauentausch“ sehe, aber auf der anderen Seite denke ich: Kinder, Ihr müsst doch nicht ins Fernsehen gehen. Aber wenn die Tauschmutter sich dem Tausch-Ehemann im String-Tanga zeigt und versucht, ihn zu verführen – das strengt mich an. Ich habe aber auch schon gute „Frauentauschs“ gesehen, wo komplett vernachlässigte Kinder mit der Tauschmutter Bilder gemalt haben und auf den Spielplatz gegangen sind – und da habe ich mich gefreut.
Sie haben ja schon länger keine Sendung mehr moderiert. Waren Sie darum dieses Mal besonders nervös vor der Kamera?
von Sinnen: Ich bin gar nicht mehr so aufgeregt wie ich es vielleicht vor fünf, sechs Jahren noch war. Ich habe mich immer über meinen Kollegen Hugo Egon Balder gewundert, der gesagt hat: Mir ist alles egal. Ich bin hingegen angetreten als Schauspielerin und Künstlerin und habe alles immer sehr viel wichtiger und ernster genommen. Genau wie das Niveau des Fernsehens runtergegangen ist, habe ich aber inzwischen auch meinen eigenen Anspruch runtergehängt. Ich mache meine Arbeit und wenn ich Künstlerin sein will, dann mach ich meine Hans-Christian-Andersen-Lesungen. Und wenn ich als Fernseharbeiterin diene, und mich dann im Fernsehen sehe, dann freue ich mich, wie gut ich mit 52 aussehe.
Finden Sie das nicht schade, dass Sie Ihre Leidenschaft für das Fernsehen verloren haben?
von Sinnen: Ich habe die Leidenschaft immer noch, aber ich habe eine andere Geduld. Ich bin da fatalistischer geworden. Wenn noch etwas Schönes kommt, dann freue ich mich. Diese neue Moderation hat mir sehr viel Freude gemacht. Und ich denke, ich kann gut sprechen, ich kann gut Pointen setzen, ich sehe gut aus und mache den Job gut. Und vielleicht kann ich mich mit so einem Format auch für andere Formate empfehlen. Aber ich bin da nicht mehr so hinterher und habe da eine andere Gelassenheit. Wie der Kölner sagt: Et kütt wie et kütt.
Welches Format würde Sie denn reizen?
von Sinnen: Mich würde prinzipiell immer wieder eine Talkshow reizen. Ich weiß, dass es Talkshows gibt wie Sand am Meer und wahrscheinlich haben die Leute keinen Bock auf noch eine neue Talkshow. Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass meine anders wäre. Ich habe eine große Liebe für Menschen und ihre Macken. Und darum höre ich gerne und gut zu.
Zuhören – passiert das in Talkshows zu selten?
von Sinnen: Außer Barbara Schöneberger kenne ich keine Talkmasterin, der ich ihr Interesse für ihr Gegenüber wirklich abnehme. Das ist wie in den „Sissi“-Filmen, wenn dieser ungarische Husar sagt: Endlich ein Mensch im Königshaus. Barbara Schöneberger ist für mich die Menschelndste, die Spontanste, die Sinnlichste, die Liebenswerteste und auch die Neugierigste. Talkshows verfolgen ja immer auch einen bestimmten redaktionellen Auftrag und in diesem Korsett ist bei den meisten wenig Platz für Spontaneität. So sehr ich alle anderen Moderatorinnen auch schätze, ich sehe da schon eine journalistische Routine. Von den männlichen Kollegen übrigens einmal ganz zu schweigen. Es gibt wirklich Talkshows, die einfach schwer zu ertragen sind.
Frau von Sinnen, vielen Dank für das Gespräch.INTERVIEWs im Überblick
[Interview: Britta Schultejans]
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