Ist es eine Schlacht von gestern oder der Kampf um die Zukunft? Die deutschen Zeitungsverleger ziehen gegen öffentlich-rechtliche Online-Angebote vor Gericht. Nun eskaliert die Auseinandersetzung zwischen ARD, ZDF und den Zeitungshäusern.
Margot Käßmann hätte vielleicht noch Frieden stiften können. Aber die frühere Bischöfin musste nach ihrem Vortrag beim Medienforum NRW gleich zu einer Vorlesung in Bochum. Und so saßen die Zeitungsleute Christian Nienhaus und Peter Pauls ohne geistlichen Beistand mit ZDF-Intendant Markus Schächter auf dem Kölner Podium. Und was sie einander vorwarfen, war alles andere als versöhnlich. Der Streit um die kostenlosen Angebote von ARD und ZDF im Internet ist eskaliert. Als erstes haben sich acht Zeitungshäuser die Angebote der ARD-„Tagesschau“ auf den Smartphones und dem iPad herausgepickt. Sie klagen dagegen vor dem Kölner Landgericht, weil die App ihnen den Markt kaputtmache.
Der Streit schwelt schon lange. Die Zeitungsauflagen sinken, die Anzeigen gehen zurück, und noch hat kein Medienhaus das Ei des Kolumbus gefunden: Wie kann man mit Online-Erlösen das bröckelnde Geschäft mit der Papierzeitung wettmachen? Eine Hoffnung der Verlage sind Apps für das iPad und andere mobile Bildschirmgeräte. Damit hätten die Zeitungsmacher gerne eine neue Generation von zahlenden Abonnenten gewonnen. Und fürchten nun, dass genau diese Leute dann doch lieber zur kostenlosen „Tagesschau“-App greifen, wo sie außer Fernsehbeiträgen und O-Tönen auch viel Textinformation bekommen.
Nun haben also Wettbewerbsrichter zu befinden, ob ARD und ZDF den Zeitungen mit Hilfe von Gebührengeldern unerlaubt das Wasser abgraben. Dabei halten Tageszeitungen und Öffentlich-Rechtliche denselben Qualitätsanspruch hoch: „Wir sitzen im selben Boot, was die Art, wie wir Journalismus machen, angeht“, sagte Christian Nienhaus.
Der WAZ-Geschäftsführer und NRW-Verlegervorsitzende hatte die Bombe platzen lassen und die Klage verkündet. Während die Verleger ihren Qualitätsjournalismus durch Erträge auf dem Medienmarkt finanzieren müssten, hätten ARD und ZDF die Gebühren, argumentiert Nienhaus. „Wir sind keine öffentlich-rechtliche Anstalt, die aus einem Milliarden-Gebührenaufkommen schöpft, wir müssen damit auch Geld verdienen“, sagte auch Peter Pauls, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Schächter war sichtlich geschockt. Aus seiner Sicht sind ARD und ZDF nicht etwa Feinde der Tageszeitungen, sondern deren natürliche Verbündete beim Kampf gegen internationale Online-Giganten. „Wer nicht ins Netz geht, geht ins Museum. Wenn wir schon alle im Netz sein müssen, wie können wir uns dann zusammenfinden? Ich glaube nicht, dass es uns beiden nützt, wenn wir versuchen, diese Schlacht noch einmal zu führen“, meinte Schächter.
Für ihn liegt der Ausweg bei mehr Zusammenarbeit, zum Beispiel indem öffentlich-rechtliche Sender den Zeitungshäusern Videos für deren Internetauftritte zur Verfügung stellen. Solche Kooperationen gibt es bereits – auch die WAZ und der WDR hatten diesen Weg probiert. Aber friedlich dürfte es erst einmal nicht werden. Auf dem Kölner Podium brachen grundsätzliche Differenzen auf.
„Kein deutscher Politiker wird es je erreichen, dass bei einer Zeitung ein Chefredakteur ausgetauscht wird, wie es beim ZDF geschehen ist“, sagte Pauls. Schächter wies den Vorwurf zurück, die Öffentlich-Rechtlichen seien nicht unabhängig – und wies darauf hin, dass sie schon einen großen Teil ihrer Internet-Angebote gelöscht hätten: „Das haben wir getan, um miteinander in einem Frieden zu leben“. Diese Hoffnung ist erst einmal nicht aufgegangen. [Jürgen Hein]
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