HB-Männchen, Pril-Ente und Co: Historische Radiospots im Netz

4
202
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

Wie klang Radiowerbung 1960? Wer das wissen möchte, musste früher lange recherchieren. Denn viele Unternehmen haben ihre Hörfunkreklame nicht archiviert. Das Historische Werbefunkarchiv der Uni Regensburg erleichtert die Suche. Tausende Werbespots wurden hier digitalisiert.

Den Hustinetten-Bären mag Ursula Grundl am liebsten. Der Werbespot von 1968 geht ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf: „Nimm den Husten nicht so schwer, dir hilft der Hustinetten-Bär.“ Zehntausende Radio-Reklamespots hat sich Grundl in den vergangenen Jahren angehört. Die 59-Jährige ist eine der Mitarbeiterinnen am Historischen Werbefunkarchiv der Uni Regensburg. 
 
Dort werden die Spots digitalisiert und sind hinterher im Internet zugänglich. „Ich kenne vieles noch aus der Kindheit“, sagt Grundl. Manches im Archiv finde sie allerdings auch furchtbar. Ihr „Hass-Spot“ ist eine Waschmittelwerbung von 1973. Darin schreit ein Mann seine Frau an: „Im Tischtuch ist ja noch ein Fleck“ – und das an seinem Geburtstag.
 
Für Wissenschaftler und Hobbyforscher ist das Archiv eine Schatztruhe. Vertreter unterschiedlichster Disziplinen werden fündig: Musik in der Werbung, unterschwellige Beeinflussung, Reime in Werbejingles, Wertewandel – anhand der kleinen Geschichten mit HB-Männchen, Pril-Ente und Co. gibt es viel zu entdecken. Die historische Waschmittelwerbung etwa gibt Aufschluss über die Geschlechterrollen im Wandel der Zeit.
 
Mehrere Dozenten hätten mit dem Archivmaterial schon Vorlesungen gestaltet, sagt Projektkoordinatorin Gabriele Gerber. „Wir digitalisieren nicht nur, damit es gemacht wird, sondern es wird auch wirklich gebraucht.“ Das Archiv ist nach eigenen Angaben die größte öffentlich zugängliche Sammlung deutschsprachiger Hörfunkwerbung.

Rund 8 000 Tonbänder mit 50 000 Hörfunkspots von Alete bis Zentis seien schon digitalisiert, sagt Gerber. Wer sich online registriert, hat Zugang zu etwa 2 800 Stunden Material. Und es sollen noch mehr werden. Im Keller der Unibibliothek warten in langen Regalreihen viele weitere Tonbänder auf ihre Digitalisierung. Auch Fernsehwerbung soll noch in Angriff genommen werden.
 
Der älteste digitalisierte Hörfunkspot sei derzeit von 1950, der jüngste von 1987, erzählt Gerber. Projektmitarbeiterin Grundl kennt inzwischen viele Spots auswendig – ob sie will oder nicht. Manche seien wie kleine Hörspiele aufgebaut. In den 50ern habe Werbung sachlich informiert, in den 60ern und 70ern sei oft gereimt worden, erläutert sie.
 
An historische Hörfunkwerbung zu gelangen, ist für Forscher oft äußerst schwierig. In der Regel seien die Spots nicht systematisch aufbewahrt worden – weder von den werbenden Unternehmen, noch von Radiosendern oder Archiven, sagt die Projektleiterin. Werbung sei außerdem für viele kein ernstzunehmendes Kulturgut. Völlig zu Unrecht, findet Medienwissenschaftler Guido Zurstiege von der Uni Tübingen. „Werbung ist ein Spiegel dessen, was sich eine Gesellschaft und ihre Mitglieder zu einem bestimmten Zeitpunkt wünschen – und damit äußerst wertvoll für die Wissenschaft.“ Das Werbefunkarchiv biete beeindruckendes Quellenmaterial, das zu vielen Fragen anstifte.
 
Sprachwissenschaftlerin Sandra Reimann setzte mit den Recherchen zu ihrer Doktorarbeit alles in Gang. Sie war auf der Suche nach Hörfunkspots und stieß beim Bayerischen Rundfunk auf die historische Sammlung. Zufällig habe der Sender die Tonbänder wegen Platzmangels gerade dringend loswerden wollen, erzählt sie. Ein Glück für die Uni Regensburg. Reimann schlug ihrem Doktorvater vor, das Archiv zu erwerben. 2004 wurde es in Regensburg eingeweiht. „Ich empfinde es schon ein bisschen als mein Baby“, sagt Reimann. Derzeit forscht sie unter anderem zu Medikamentenwerbung. [Christine Cornelius]

Bildquelle:

  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
4 Kommentare im Forum
  1. AW: HB-Männchen, Pril-Ente und Co: Historische Radiospots im Netz Finde ich auch, ältere Werbung zu hören oder zu schauen ist echt interessant. Das würde mich freuen und da ist es mit Sicherheit einfacher, denn viel Werbung findet man ja schon auf YouTube, bis in die 60er zurück.
  2. AW: HB-Männchen, Pril-Ente und Co: Historische Radiospots im Netz An alte Radiowerbung erinnere ich mich eigentlich gar nicht mehr. Aber die alten Fernsehspots habe ich noch gut in Erinnerung. Z. Bspl. Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Greife lieber zur HB.
  3. AW: HB-Männchen, Pril-Ente und Co: Historische Radiospots im Netz Hast du da nicht eine Kleinigkeit vergessen ? Halt mein Freund: Wer wird denn gleich in die Luft gehen ? Greif lieber zur HB - dann geht alles wie von selbst !
Alle Kommentare 4 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum