Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof warnt vor Grundrechtsverletzungen durch moderne Medien.
„Wir denken immer, nur der Staat gefährde die Grundrechte. Immer mehr sind es aber weltumspannende, große Unternehmen, die auf die Details unseres Privatlebens zugreifen und sie ökonomisch nutzen“, sagte Kirchhof im Interview des Nachrichtenmagazins Focus. Er selbst halte sich von sozialen Netzwerken fern, „denn sie sind das Tor für andere, die sich unserer Daten bemächtigen“.
Kirchhof zufolge sind die Bürger trotz der Gefahren Internetkonzernen gegenüber weniger misstrauisch als gegenüber dem Staat. Bei der ersten Volkszählung in Deutschland habe es Bürgerproteste gegeben. Den Firmen aber begegneten die Menschen positiv, weil sie eine kostenlose Dienstleistung erhielten.
„Erst im zweiten Schritt fragen sie, was mit ihren Daten passiert, etwa wenn ihr Kaufverhalten analysiert wird und sie zum gläsernen Konsumenten werden.“
Auf die Frage nach einer rechtlichen Handhabe gegen diese Unternehmen antwortete Kirchhof, meist handele es sich um Vertragsbeziehungen, bei deren Anschluss jeder selbst wachsam sein müsse. „Im Übrigen kann niemand auf seine Grundrechte verzichten. Auch ein Vertrag stellt den Bürger nicht rechtlos.“
Mit Blick auf den Abhörskandal NSA plädierte Kirchhof für eine politische Lösung. „Wenn deutsche Grundrechte ausgehebelt werden, nur weil der Server im Ausland steht, ist dies ein unbefriedigender Zustand. Solche Fragen können derzeit aber nur politisch gelöst werden, beispielsweise über Zusicherungen, dass der deutsche Grundrechtsstandard auch von unseren Partnerländern eingehalten wird.“
Die als europafeindlich kritisierte Rechtsprechung seines Gerichts verteidigte Kirchhof. „Der Vorwurf ‚Die wollen Europa nicht‘ ist Unsinn“, sagte er zu Focus. „Ich glaube, das Bundesverfassungsgericht hat bei der europäischen Integration, zum Beispiel bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise, eine wichtige und gute Rolle gespielt.“ Der europäische Einigungsprozess habe allerdings „einen Hang zur Zentralisierung, manchmal mit zu wenig Sensibilität für regionale Besonderheiten. Auch die Notwendigkeit einer demokratischen Legitimation muss von Zeit zu Zeit in Erinnerung gerufen werden.“[fp]
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