Goldmedia: „Klassisches TV steht am Anfang seines Endes“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Das Fernsehen könnte sich in den kommenden Jahren grundlegend ändern. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer des Marktforschers Goldmedia, glaubt, dass der Video-on-Demand-Sektor in Deutschland endlich vor seinem großen Durchbruch steht. Alle wichtigen Voraussetzungen seien jetzt geschaffen.

Einen Markt für Online-Videotheken gibt es in Deutschland schon seit Jahren. So ist die Telekom-Tochter Videoload etwa schon seit 2003 aktiv. Lange Zeit fristete die Branche jedoch ein Schattendasein und wartete auf ihren Durchbruch. Sie musste lange warten. Wirklich zum Leben erwacht ist das Geschäftsmodell Video-on-Demand hierzulande erst im vergangenen Jahr. Nun soll die Entwicklung jedoch umso dynamischer verlaufen, behauptet Klaus Goldhammer, Geschäftsführer von Goldmedia, einem der führenden Marktforscher im Bereich Medien und TV.Voraussetzungen für den Durchbruch

 
In einem Beitrag für das Portal „Medienpolitik.net“ beschreibt Goldhammer den Zeitpunkt für die Video-on-Demand-Anbieter als günstig. So seien inzwischen alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen, damit diese am Markt durchstarten könnten. Etwa 70 Prozent der deutschen Haushalte würden beispielsweise bereits über den für Online-Videos notwendigen Breitband-Anschluss verfügen. Auch die Endgeräte-Basis würde stetig wachsen. Mobile Geräte, Smart TVs, Spielekonsolen, Set-Top-Boxen und Blu-ray Player würden dabei eine besondere Rolle spielen. Insbesondere die Zunahme Smart-TV-fähiger Endgeräte würde den Anbietern endlich auch den Zugang zum TV-Bildschirm ermöglichen.
 
Im April 2014 konnten sich der Branchenverband Bitkom und die GEMA zudem auf eine Tarif für Online-Videotheken einigen. Nach diesem beträgt die Lizenzvergütung für Online-Videotheken 16,50 Cent beim Kauf eines Films und 5,50 Cent bei einer Leihe. Für Serienepisoden liegen die Gebühren bei 4,90 Cent beziehungsweise 2,35 Cent. Laut Goldhamer würde für die Anbieter dadurch endlich Planungssicherheit herrschen. „Als 2012 ein Audio-Tarif für das Internet vereinbart wurde, dauerte es keine vier Wochen, bis Spotify, Rdio, Deezer und zahlreiche andere Plattformen in Deutschland launchten“, so der Chef von Goldmedia. Schnell hätte sich draufhin ein echter Wettbewerb mit inzwischen 70 Streaming-Anbietern entwickelt.
 
Auch die Filmstudios hätten die Chancen der VoD-Vermarktung ihrer Filme und Serien längst erkannt und würden ihre Inhalte mittlerweile zu realistischen Preisen anbieten. „Während noch vor wenigen Jahren prohibitive Preise und Minimum-Garantien für digitale Rechte zum Schutz des übermächtigen DVD-Geschäftes verlangt wurden, haben sich die Verhältnisse etwas entspannt“, erklärt Goldhammer. Wie rentabel ist das Geschäftsmodell?

 
„Das große Gerangel um Marktanteile und Kunden“ wird laut demBranchenexperten vermutlich erst im Herbst 2014 so richtig losgehen.Dann wird unter anderem der Markteintritt des US-Streaming-RiesenNetflix erwartet. Doch auch die Konkurrenz von Amazon, Watchever,Maxdome und Sky ist bereits breit aufgestellt.
 
Was die Rentabilität der Angebote angeht ist Goldhammer mit seinenPrognosen noch vorsichtig. „Nach der Long-Tail-These des amerikanischenJournalisten Chris Anderson sind Internet-Anbieter in der Lage, nichtnur durch Blockbuster, sondern auch durch eine große Anzahl von wenigernachgefragten Inhalten Gewinn zu machen“, erklärt dieser. Diese Thesehätte sich bezogen auf den VoD-Markt bislang nicht bestätigt. EineAnalyse der Netflix-Filme würde beispielsweise zeigen, dass 90 Prozentaller Bewertungen nur auf 20 Prozent der Filme entfallen würde. Klassestatt Masse könnte also das Erfolgsrezept lauten. Doch dürfte es füreinen einzigen Anbieter schwer sein, der Konkurrenz alle attraktivenInhalte wegzuschnappen.
 
Trotz der prognostizierten Perspektiven gibt sich Goldhammer jedochrealistisch: „RTL wird nicht morgen schließen“. Den Wandel erachtet derMarktforscher jedoch als unaufhaltsam. An Stelle einer Verdrängung deralte Sehgewohnheiten am Fernsehgerät sei es jedoch wahrscheinlicher,dass es zu einer Erweiterung des TV-Erlebnisses kommt. [ps]

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57 Kommentare im Forum
  1. Goldmedia hat hier eine Vision wie die Zeugen Jehovas vom Ende der Welt zum 30.05. jeden Jahres. Letzteres ist Blödsinn und hier kann sich Goldmedia in die gleiche Reihe stellen wie letztgenannte Gruppe. Sicher werden viele Leute die Onlinevideotheken nutzen und somit das Ende der klassischen Videotheken vor Ort vorantreiben aber... ...vom Ende des klassischen Fernsehens zu sprechen ist sowas von weltfremd, dass mir vom Kopfschütteln der Halswirbel bereits beginnt weh zu tun. Es gibt genügend Leute - und die stellen die überwiegende Mehrheit dar - die werden nicht einmal für 50 Cent einen Film online ordern, sondern schauen weiter die Angebote im linearen TV, wie die flachen und meistgeschauten Formate wie Castingshows, Scripted Reality, etc. innerhalb des linearen Fernsehens beweisen. Zudem können die meisten mittels PVR und Timeshift innerhalb des von Goldmedia zum Tode veurteilten linearen Fernsehen ihr TV-Angebot selbst und laufend nach eigenem Belieben zusammen zustellen und dies völlig gratis. Eher in diese Richtung fährt der Zug bereits seit langem und nicht nur in Richtung der bezahlbaren Video On Demond-Angebote, die sicherlich auch ihre Zielgruppe haben.
  2. AW: Goldmedia: "Klassisches TV steht am Anfang seines Endes" Ich verstehe auch nicht, warum man sich hier so auf VoD und den "Bezahlteil" stürzt. Ist vielleicht eine Frage nach dem Auftraggeber der Studie. Ich denke, dass viel mehr die Online Free Angebote über Hbb-TV, also die Mediatheken und deren Integration in den "TV Wirkkreis" sich auf das Fernsehverhalten auswirken. Das ist natürlich an die Rückkanalfähigkeit gebunden, wird aber künftig immer mehr Einfluß auf die Verbreitung des Mediums und das Konsumverhalten der Zuschauer haben. Auch viele "lineare" TV Sende werden künftig via Hbb-TV verbreitet werden, und einem breiteren Publikum zugängig gemacht. Dann werden nur noch "Portalseiten" benötigt, die direkt auf diese Angebote verlinken. Die Bayerische Landesmedienanstalt sowie MEDIA BROADCAST haben hier ja schon Angebte im Markt. Für VoD wird es in meinen Augen wichtig werden, wie man die Vielfalt auffindbar machen kann, und wie es gelingt einzelne Teile des Angebots für die Kunden nutzbar zu machen, so dass der Kunde nicht erst über Subscription oder Flat Fee an ein Angebot gebunden wird. Aber das ist eine andere Sache.
  3. AW: Goldmedia: "Klassisches TV steht am Anfang seines Endes" Ich glaube nicht, dass klassisches TV ausstirbt. Es wird für einige Zuschauer sicher immer interessanter VOD zu nutzen, weil das standardmässig verfügbare Fernsehen immer schlechter zu werden scheint. Vielleicht sterben irgendwann aber auch Sendegruppen wie RTL oder Pro7Sat1, weil auch dem letzten Zuschauer das zu anspruchslos geworden ist.
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