Netflix, Sky, TVNOW, Joyn, Mediatheken von ZDF und ARD – Streaming boomt in Deutschland. Was macht der Trend mit der traditionellen TV-Seite in der Tageszeitung und den vielen Programmzeitschriften?
Die TV-Programmzeitschrift als „Accessoire“ auf dem Wohnzimmertisch. Mit dem Kugelschreiber oder Leuchtstift wird eingekreist. In der Tageszeitung am Frühstückstisch wird das TV-Programm für den Abend durchflöht. So lief das früher vermutlich in Millionen von Haushalten ab. Und heute? In Zeiten von Streaming, Mediatheken und TV-Konsum, wann, wie und wo man will?
Die „New York Times“ machte unlängst kurzen Prozess: Sie warf nach acht Jahrzehnten ihr TV-Programm aus dem gedruckten Blatt. Begründung der US-Zeitung: Die Bedeutung von Streaming – also dem Abrufen von Sendungen, Serien und Filmen auf Plattformen abseits des laufenden Programms nach festen Sendezeiten – habe zugenommen. Verlage in Deutschland folgen dem Beispiel aus den USA so nicht, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.
Von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) heißt es, derzeit seien keinerlei Veränderungen geplant. Ebenso ist es bei der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ). Man überlege zugleich, die tägliche Programmseite auch den Nutzern der digitalen SZ zugänglich zu machen.
Ähnliches Bild bei regionalen Tageszeitungen: „Stuttgarter Nachrichten“ und „Stuttgarter Zeitung“ können sich nicht vorstellen, auf das TV-Programm zu verzichten. Bei der „Thüringer Allgemeinen“ sagt Chefredakteur Jan Hollitzer: „Ich gehe stark davon aus, dass wir den Service weiterhin anbieten werden. Da im Streaming viel on demand abgerufen wird, braucht es eine andere Präsentation der Inhalte als nach Tagen und Uhrzeiten.“
Es gibt im Markt auch neue Formate: Das RedaktionsNetzwerk Deutschland der Madsack Mediengruppe, das für Regionalzeitungen überregionale Inhalte produziert, gibt seit diesem Monat einen Newsletter („Das Stream-Team“) heraus, der sich ausschließlich Streaming widmet. Neben neuen Formaten binden Verlage seit Jahren Streaming-Tipps in ihre bestehenden Angebote ein.
Fernsehen ist in Deutschland bis heute Massenmedium. In gut 95 Prozent der Haushalte stand 2019 mindestens ein Fernsehgerät, wie aus dem Digitalisierungsbericht Video der Medienanstalten hervorgeht. Trotz Streaming-Booms gehört das fortlaufende Programm mit Sendeschema zur DNA von TV-Sendern. Dort werden bei den Privaten auch noch große Werbeumsätze erzielt. Dass lineares Fernsehen fest verankert ist, sieht man zum Beispiel daran: Zur „Tagesschau“ der ARD um 20.00 Uhr schalten täglich rund zehn Millionen Zuschauer ein.
Eine lange Tradition haben auch die TV-Programmzeitschriften. Man kann sie am Kiosk und im Supermarkt kaufen oder abonnieren. Zeitungen bieten zudem Programmzeitschriften als Beilage an. Im Netz sind ebenfalls Angebote entstanden.
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger, Stephan Scherzer, sagt: „Programmzeitschriften punkten im Lesermarkt, sie erreichen 51 Prozent aller Deutschen über 14 Jahren. Im Jahr 2019 wurden gut 371 Millionen Exemplare allein in diesem Segment gekauft.“ In der Corona-Krise werden Programmtitel demnach auch stark nachgefragt. 2010 waren es noch 586 Millionen Exemplare pro Jahr gewesen – seit Jahrzehnten gehen insgesamt die Auflagen bei Zeitungen und Zeitschriften zurück.
Programmzeitschriften verzeichnen heute die höchste Auflagenzahl im deutschen Zeitschriftenmarkt. Der Vertriebsumsatz wird nach Verbandsangaben auf rund 580 Millionen Euro geschätzt, hinzu kommen Millionenbeträge an Bruttowerbeumsätzen. Der Gesamtverband Pressegroßhandel spricht von etwa 50 TV-Titeln für den Einzelverkauf.
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