Über die Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit im deutschen Fernsehen wird am Freitag in Hamburg verhandelt. Das Landgericht muss entscheiden, ob die „Schmähkritik“ von ZDF-Satiriker Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan komplett verboten wird.
Das Hamburger Landgericht will am Freitag (10.2.) über den künftigen Umgang mit Jan Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ entscheiden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (62) will erreichen, dass das gesamte Werk verboten wird. Der TV-Satiriker (35) hatte es am 31. März 2016 in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ (ZDFneo) vorgetragen und darin das türkische Staatsoberhaupt mit Kinderpornografie und Sex mit Tieren in Verbindung gebracht.
Die Vorsitzende Richterin Simone Käfer ließ später in der Verhandlung am 2. November 2016 nicht erkennen, in welche Richtung die Pressekammer nun tendieren könnte. Damals lieferten sich die Anwälte des ZDF-Moderators und des türkischen Präsidenten ein Wortgefecht um Meinungsfreiheit und Menschenwürde. Gegen eine Entscheidung ist der weitere Rechtsweg möglich. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hatte angekündigt, notfalls auch bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.
Der Erdogan-Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger sieht das Gedicht nicht von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. „Hier wird nur noch plump beleidigt, unterhalb der Gürtellinie“, sagte Sprenger in der Verhandlung. „Der Kläger soll als Prototyp des verlausten Türken gezeigt werden. Das ist schlicht rassistisch.“ Böhmermann habe Artikel 1 des Grundgesetzes schwer verletzt. „Hier wird die Menschenwürde getreten: Die Menschenwürde ist nicht verhandelbar.“
Der Böhmermann-Anwalt verlangte dagegen, die Erdogan-Klage in diesem Zivilprozess abzuweisen. Er forderte, die zeitgeschichtliche Einbettung des Gedichts zu berücksichtigen. Der Kern der Aussage liege nahezu ausschließlich in der Kritik am Umgang des türkischen Präsidenten mit der Meinungsfreiheit, sagte Schertz und verwies auf die damaligen Verhaftungen von Journalisten in der Türkei. „Wenn sich jemand so geriert, dann muss er sich die schärfste Kritik ever gefallen lassen.“ Böhmermann habe in einer Art juristischem Proseminar in Satire-Form die Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit in Deutschland aufzeigen wollen, führte Schertz aus. Außerdem müsse die „Gesamtperformance“ des Fernsehbeitrags berücksichtigt werden.
Strafrechtliche Ermittlungen gegen den TV-Satiriker hatte die Staatsanwaltschaft Mainz im Oktober 2016 eingestellt. Es seien „strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“. Eine Beschwerde Erdogans dagegen wies die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz wenig später zurück.
Diese Ermittlungen waren überhaupt nur möglich geworden, weil die Bundesregierung den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch freigemacht hatte. Diesen Paragrafen, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren stellt, will die Bundesregierung nunmehr abschaffen. „Der Gedanke einer ‚Majestätsbeleidigung‘ stammt aus einer längst vergangenen Epoche, er passt nicht mehr in unser Strafrecht“, teilte Justizminister Heiko Maas (SPD) zu dem Kabinettsbeschluss von Ende Januar 2017 mit. Das Parlament muss noch zustimmen.
Der Popularität des Satirikers haben die Auseinandersetzungen nicht geschadet. Böhmermann gewann jüngst zum zweiten Mal in Folge den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Unterhaltung Late Night“ – mit seinem Format „Neo Magazin Royale“. Und ZDF-Intendant Thomas Bellut hat angekündigt, über die Vertragslaufzeit bis Ende 2017 hinaus mit dem Moderator zusammenarbeiten zu wollen. Böhmermann selbst möchte von ZDFneo aus gern ins ZDF-Hauptprogramm.
[Almut Kipp/kw]
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