Der Serienboom im Fernsehen ist dank Produktionen wie „Game of Thrones“ oder „House of Cards“ nicht zu übersehen. Für Sky-Programmchef Gary Davey werden aufwändige Serienproduktionen daher immer wichtiger. Im Interview mit DIGITAL FERNSEHEN erklärte er, wo die Herausforderungen für einen TV-Veranstalter liegen, potentielle Hits frühzeitig zu erkennen.
Mr. Davey, es scheint als hätten aufwendig produzierte TV-Serien mittlerweile den klassischen Hollywood-Blockbuster als Zugpferd im Pay-TV beinahe abgelöst. Gibt es einen Serienboom im TV?
Gary Davey: Serien sind seit jeher ein Bestandteil der deutschen und internationalen TV-Landschaft. Es gibt jedoch einen deutlich erkennbaren Trend in Richtung hochwertiger, „character driven“ und horizontal erzählter Qualitätsserien. Die Entwicklung der letzten Monate zeigt, dass immer mehr große Stars vor und hinter der Kamera das Fernsehen wieder für sich entdeckt haben und die Vorteile der epischen Erzählmöglichkeiten im TV nutzen. Große Fernsehserien von heute sind das, was die Romane im 20. Jahrhundert waren: Für viele Künstler bietet das Fernsehen neue kreative Entfaltungsmöglichkeiten, da Serien einerseits mit größeren Budgets und vor allem mit einem anspruchsvolleren Storytelling produziert werden. Als bestes Beispiel dient hier Steven Soderbergh, der nach dem HBO-Fernsehfilm „Behind the Candelabra“ nun – ebenfalls für HBO/Cinemax – „The Knick“ mit Clive Owen in der Hauptrolle gedreht hat.
Populäre Serien wie „Game of Thrones“ oder „The Walking Dead“ schaffen es derzeit, ihre Fanbase mit jeder neuen Staffel noch deutlich zu erweitern wenn man sich etwa die Einschaltquoten oder die Abrufzahlen auf Online-Plattformen ansieht. Es scheint beinahe so, als wäre der frühzeitige Rechteerwerb für eine hochklassige TV-Serie wie eine gute Wertanlage, die mit den Jahren eine immer größere Rendite abwirft. Wirkt sich diese Entwicklung bereits auf die Einkaufspolitik der Pay-TV-Anbieter aus?
Davey: In Bezug auf Serien sind wir in der glücklichen Situation, dass wir eine langfristige Kooperation mit HBO haben, die wir vor kurzem bis ins Jahr 2020 verlängert haben. Diese bildet eine wichtige Säule unserer Serienpositionierung. Dazu kaufen wir qualitativ passende, hochwertige Serien ein, um das Portfolio zu ergänzen. Ein perfektes Beispiel dafür ist „House of Cards“. Die Herausforderung ist es, genau diese Serien zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu identifizieren und hart dafür zu arbeiten, dass wir uns alle Rechte daran sichern, die wir benötigen. Das Magische am TV-Geschäft ist, dass niemand weiß, was die Zuschauer sehen wollen – auch die Zuschauer wissen es nicht, bis sie es schließlich selbst sehen. Unsere Maxime war stets, unseren Kunden das bestmögliche Programm zu bieten. Dies unterstützen wir durch langfristige und nachhaltige Verträge mit den Lizenzpartnern.
Jetzt ergänzen wir unser Portfolio noch durch die ersten internationalen Co-Produktionen. Bei der Thrillerserie „100 Code“ mit Dominic Monaghan, die in Zusammenarbeit mit Red Arrow International produziert wird, haben wir uns bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt umfangreiche Pay-TV und SVOD-Rechte gesichert. Genauso wie beispielsweise bei „The Last Panthers“, einem Serienprojekt von BSkyB und Canal+.
Im Serienbereich ist Sky in Deutschland sehr gut aufgestellt. Neben langjährigen Verträgen, die Sky selbst mit verschiedenen Produzenten abgeschlossen haben, sind es vor allem auch die Partnersender, die ein breites Angebot gewährleisten. Sind Serien heute ein wichtigeres Element bei der Auswahl neuer Partnersender als in der Vergangenheit?
Davey: Wir haben auf unserer Plattformen ein breites Portfolio an Partnersendern, die verschiedenste Genres abdecken. Generell geht es bei diesen Entscheidungen immer um mehrere Faktoren. Dazu gehört neben der Wirtschaftlichkeit auch die Komponente Exklusivität – und Qualität vor Quantität. Wir arbeiten dahingehend mit unseren Partnersendern sehr eng zusammen, genauso wie beim Thema On-Demand-Rechte. Im Lauf des Jahres 2014 werden wir insgesamt 125 Serien- und Staffelpremieren auf elf verschiedenen Seriensendern haben, das ist eine großartige Mischung.
Gerade Serien, die im Pay-TV große Erfolge feiern, gehen im Free-TV oft unter oder werden auf fragwürdigen Sendeplätzen ausgestrahlt. Warum funktionieren gerade aufwändig produzierte und storylastige Formate im Bezahlfernsehen oft besser?
Davey: Das Pay-TV kann Geschichten expliziter erzählen und ist unabhängig von Werbekunden. Bei uns geht es nicht so sehr um Quoten. Im Fokus steht die Zufriedenheit unserer Kunden. Das Entscheidende ist, dass der Zuschauer die Charaktere bei komplexen Serienhandlungen erst nach zwei bis drei Episoden kennenlernt. Diese Zeit geben wir den Inhalten und den Zuschauern. Wir setzen keine Serie nach der zweiten Folge ab.
Nachholbedarf gibt es bei Sky im Bereich der fiktionalen Eigenproduktionen. Mit Serien wie „100 Code“ und „Babylon Berlin“ haben Sie auch auf diesem Feld einige Kooperationsprojekte in Angriff genommen. Werden hochwertige Serienproduktionen aus Europa in einigen Jahren einen ähnlichen Stellenwert haben, wie die Top-Serien aus den USA?
Davey: Aktuell läuft auf unserem Serien-Sender Sky Atlantic HD die außergewöhnliche Serie „Gomorrha“, basierend auf dem Welt-Bestseller von Roberto Saviano. Damit haben unsere Kollegen von Sky Italia eindrucksvoll bewiesen, dass Qualität im Serienformat auch aus Europa kommen kann. Ein spannendes Projekt, was wir aktuell gemeinsam mit BSkyB und Sky Italia entwickeln, ist die Comic-Adaption „Diabolik“. Die erste fiktionale Kollaboration der drei europäischen Sky Unternehmen.
Mit „Add a Friend“ hat sich Turner Broadcasting vor einigen Jahren an die erste rein deutsche Produktion einer fiktionalen Serie fürs Pay-TV gewagt. Warum hat dies bislang so wenige Nachahmer gefunden?
Davey: Es hat einige Zeit gedauert, bis das Pay-TV einen entsprechenden Grad an Selbstbewusstsein erreicht hat, der es erlaubt in Eigenproduktionen zu investieren. Wir freuen uns über das großartige Engagement von Turner. Sie sind tolle Partner und investieren viel, um genauso wie wir an einem starken Angebot mit exklusiven und qualitativ hochwertigen Inhalten zu arbeiten. Wir haben vor kurzem gemeinsam mit X Filme, ARD und Betafilm das Serienprojekt „Babylon Berlin“ angekündigt. Es handelt sich dabei um eine deutschsprachige, international finanzierte Produktion. Tom Tykwer fungiert als Showrunner, ganz nach US-amerikanischem Vorbild. Es ist die erste Zusammenarbeit zwischen Sky und der ARD dieser Art und Größenordnung. Die Dreharbeiten beginnen Mitte nächsten Jahres und wir sind schon sehr gespannt.
In einem früheren Interview haben Sie einmal „Game of Thrones“ als beste Serie der Welt bezeichnet. Welche anderen Serien sehen Sie derzeit als herausragend an? Es dürfen auch Serien darunter sein, die nicht bei Sky laufen.
Davey: „Game of Thrones“ ist für mich weiterhin ein Höhepunkt in der Fernsehlandschaft und wir werden sicherlich eine große Programmierung starten, wenn es im April endlich mit der fünften Staffel weitergeht. Begeistert hat mich in diesem Jahr vor allem „True Detective“. Die Perfektion des Drehbuchs und die schauspielerische Leistung von Matthew McConaughey und Woody Harrelson hat die Serienproduktion nochmal nach vorne katapultiert. Zudem mag ich die US-Serie „The Blacklist“ sehr gerne. Im Comedy-Bereich gefällt mir „Veep“ von HBO gut und natürlich auch noch nach 25 Jahren die „Simpsons“. Unsere Branche unterliegt einem starken Wandel, aber gute Geschichten sind so mächtig und wichtig wie seit jeher.
Vielen Dank für das Gespräch.[ps]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com