Die ARD hat für ihre Mitarbeiter ein sogenanntes Framing Manual erstellen lassen. Unter Framing verstehen Kommunikationswissenschaftler das Vorgeben eines Deutungsrahmens zum Beispiel durch bestimmte Formulierungen oder Fragestellungen.
„Das Papier sensibilisiert uns dafür, dass es ehrlicher ist, über unsere Sprache auch die Werte offenzulegen“, erklärte ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab der Deutschen Presse-Agentur. „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ beispielsweise mache keine inhaltliche Aussage. „Für mich ist „Unser gemeinsamer Rundfunk“ da treffender, weil es unseren gemeinwohlorientierten Auftrag für die gesamte Gesellschaft umschreibt“, so Pfab. Das „Framing Manual“ sei als Angebot an die Mitarbeiter gedacht, sich mit dem Thema offen auseinanderzusetzen. „Wie sie dann kommunizieren, ist jeder und jedem selbst überlassen.“
Warum wurde das „Framing Manual“ in Auftrag gegeben?
Susanne Pfab: Als Medienunternehmen, das wesentlich mit Sprache arbeitet, ist es für uns selbstverständlich, uns mit Sprache und ihrer Wirkung zu beschäftigen. Außerdem sind wir uns bewusst, dass wir breiter und verständlicher erläutern müssen, warum es den öffentlichen Rundfunk braucht und warum es gut ist, dass alle einen finanziellen Beitrag dazu leisten. Vielfach wird uns auch vorgehalten, wir seien hier zu passiv und reaktiv. Daher haben wir an vielen Stellen den Dialog über unseren Auftrag im digitalen Zeitalter verstärkt, etwa durch Call-In-Sendungen, Einladungen in Redaktionen oder die unter ARD.de abrufbare Public-Value-Broschüre. Ein Aspekt war, sich auch die Forschung anzusehen. Daher hatten wir die Sprachforscherin Elisabeth Wehling gebeten, uns ihre Sicht zu erläutern. Daraus entstanden ist das „Framing Manual“, das wir als Arbeitsunterlage für interne Diskussionen mit den Mitarbeitenden über Sprache und deren Verwendung nutzen – zunächst in allgemeiner Form, dann mit Blick auf die Wortwahl von Kritikern der ARD, schließlich auch mit Blick auf unsere Selbstdarstellung.
Zu welchen Ergebnissen kommt es?
Fakten allein dringen in der Kommunikation häufig nicht durch. Das menschliche Gehirn sucht stets nach einem Rahmen, der auch eine Deutung ermöglicht. Das geschieht immer und überall, da unser Kopf Sprache nur in Bildern erfassen kann. So können wir auch nicht in Negationen denken. Das Beispiel, das fast jeder kennt: Denke nicht an einen rosaroten Elefanten – und dennoch hat jeder sofort das Bild eines rosaroten Elefanten vor Augen. Oder auch „Steuerlast“ – ein Begriff, den die Gesellschaft ganz selbstverständlich verwendet, über den wir auch nicht mehr nachdenken, der aber ganz klar eines transportiert: Steuern sind erdrückend. Wichtig ist, sich über die Wirkungen von Sprache bewusst zu sein. Das Papier sensibilisiert uns dafür, dass es ehrlicher ist, über unsere Sprache auch die Werte offenzulegen. Beispiel: „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk“ offenbart keinerlei inhaltliche Aussage, außer die rechtliche Organisationsform zu nennen. Für mich ist „Unser gemeinsamer Rundfunk“ treffender, weil es unseren gemeinwohlorientierten Auftrag für die gesamte Gesellschaft umschreibt.
Wie wird mit diesen Ergebnissen bei der ARD gearbeitet?
Die Empfehlungen von Dr. Wehling dienen uns als Input und Denkanstoß, an denen man sich auch reiben kann und soll. Es ist ein Angebot an die Mitarbeitenden, sich mit dem Thema offen auseinanderzusetzen. Wie sie dann kommunizieren, ist jeder und jedem selbst überlassen. Der Titel des „Framing Manuals“ ist leider missverständlich. Insofern nehmen wir den Hinweis gerne auf und werden darauf achten, dass der Titel auch das sagt, was es ist: Anregungen aus sprachwissenschaftlicher Sicht für die Kommunikation.
Kritiker werfen Ihnen vor, durch Framing die Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und insbesondere den Rundfunkbeitrag zu manipulieren. Was sagen Sie dazu?
Diese Unterstellung ist heftig und funktioniert nur, wenn man die Ausarbeitung von Dr. Wehling mit einem Papier der ARD gleichsetzt. Unser Ziel der Befassung mit dem Thema Framing ist das Gegenteil: Wir kommunizieren ehrlich, indem wir die Werte offenlegen, für die wir stehen. Framing kann uns dabei helfen, den richtigen Rahmen für unsere inhaltlichen Fakten zu finden. Ein Rahmen ohne Bild ist aber nur ein leerer Rahmen.
Susanne Pfab ist seit 2015 Generalsekretärin der ARD in Berlin. Die Juristin studierte und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und war dort wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Politik und Öffentliches Recht. Von 2002 an leitete sie das Gremienbüro des Bayerischen Rundfunks. Von 2006 bis 2014 führte sie in München die Geschäfte der Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) der ARD.[Andreas Heimann]
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