Das Interesse der TV-Zuschauer an der Formel 1 nimmt in Deutschland ab. Vom Netflix-Boom anderer Länder ist nichts zu spüren.
Kein Rennen in Deutschland, der einzige deutsche Fahrer nur Mittelmaß und immer weniger Fernsehzuschauer: Im Autoland Deutschland spielt die Formel 1 eine immer geringere Rolle. Während die wichtigste Motorsport-Serie der Welt weiter expandiert und in vielen Ländern boomt, sinken hierzulande Interesse und Bedeutung.
Im Land ohne Tempolimit gibt es noch immer einen harten Kern von Formel-1-Fans. Das allgemeine Interesse nimmt jedoch ungebremst ab, wie die Zahlen der TV-Sender belegen. Beim Comeback nach einjähriger Pause kam RTL nur auf einen Zuschauerschnitt von 1,59 Millionen Zuschauer, obwohl alle sieben Übertragungen kostenfrei zu sehen waren. Zuletzt hatte RTL 2022 vier Rennen der wichtigsten Motorsport-Serie gezeigt und dabei immerhin noch einen Schnitt von 2,53 Millionen Menschen erreicht.
Minus von zwölf Prozent
Auch bei den Sky-Kunden ging das Interesse zurück, trotz eines lange Zeit spannenden Titelkampfes. Durchschnittlich schauten 684.000 Zuschauer die Rennen. Das ist nach Sender-Angaben ein Minus von zwölf Prozent gegenüber der Vorsaison. Unzufrieden ist der Pay-TV-Sender nicht, denn es gebe einen „relativ hohen Anteil von Hardcore-Fans“, sagte Sky-Chefredakteur Alexander Rösner. Dadurch gebe es sehr gute Zuschauerzahlen beim Vor- und beim Nachlauf der Rennen: „Das gibt es so in anderen Sportarten nicht.“
Für Sky sei die Formel 1 „aus vielen Gründen wichtig“, betonte Rösner. „Es ist ein sehr gutes Recht, das sich lohnt.“ So erschließe die Rennserie „neue Zielgruppen“. Motorsport sorgt nach Fußball für die meisten Zuschauer beim Bezahlsender.
Gibt es einen Netflix-Effekt?
Vom weltweiten Boom ist in Deutschland nichts zu spüren. „Die Netflix-Story hat die Formel 1 weiter geöffnet“, sagte der ehemalige Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost vergangene Woche beim Kongress „Sport Mark Medien“ in München. Die Dokumentation des Streaminganbieters hat nach seiner Ansicht in vielen Ländern zu mehr TV-Zuschauern geführt, vor allem in den USA. Der Netflix-Effekt sei „in Deutschland nicht spürbar“, sagte dazu der Sky-Chefredakteur.
Was könnte helfen? Der ehemalige Williams-Teamchef Jost Capito sagte: „In erster Linie fehlt ein deutscher Fahrer in einem Topteam.“ Das Problem sehe „man ja auch in anderen Ländern“. Die Anzahl deutscher Fahrer ist allerdings von einst maximal sieben auf nur noch einen geschrumpft: Nico Hülkenberg. Und der hat mit dem WM-Titel rein gar nichts zu tun.
Der Routinier kam in dieser Saison in der Gesamtwertung auf Rang elf und wird auch 2025 der einzige deutsche Stammpilot im Feld der 20 Fahrer sein. Mick Schumacher hat erneut keinen Vertrag für ein festes Formel-1-Cockpit bekommen und muss sich mit einem Platz in der Langstrecken-WM beim französischen Alpine-Rennstall begnügen. Der Job als Reservefahrer bei Mercedes ist für den Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher, der den Boom in Deutschland einst ausgelöst hatte, beendet.
Seit 2020 kein Formel-1-Rennen in Deutschland
Verhaltene deutsche Hoffnungen verbinden sich mit dem Einstieg von Audi als Werksteam ab 2026. Hülkenberg wird im Cockpit sitzen, ein Grand Prix in Deutschland könnte dann vielleicht wieder ein wenig möglicher werden. Allerdings steckt die ganze deutsche Autoindustrie in der Krise.
Insgesamt gab es bislang 79 Formel-1-Rennen auf deutschem Boden, das letzte 2020 auf dem Nürburgring – aber auch nur wegen der Corona-Pandemie. Die Veranstalter waren eingesprungen. Ein Jahr zuvor machte Mercedes als Titelsponsor den bislang letzten WM-Lauf in Hockenheim möglich. Die Silberpfeile bleiben zwar als deutscher Rennstall langfristig in der Formel 1 dabei, allerdings nicht als Rennfinanzier.
Ein deutscher Grand Prix scheitert an der Finanzierung. Die von der Formel 1 aufgerufene Antrittsgebühr im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich ist durch Ticketverkäufe alleine nicht zu stemmen. Es müssten kreativere Lösungen her. Öffentliche Zuschüsse oder entscheidende Unterstützung aus der Wirtschaft gibt es nicht. In Österreich helfen sowohl Red Bull als Besitzer des Kurses in Spielberg als auch das Land kräftig mit. Und in Kanada oder Brasilien fließt teilweise sehr viel Geld aus der öffentlichen Hand.
Text: dpa/ Redaktion: JN
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