Immer mehr Spartensender bereichern die deutsche TV-Landschaft. Die zielgruppenspezifischen Kanäle bieten dabei nicht nur die Möglichkeit, den großen Marktanteile abzuknöpfen, sondern könnten auch Zuschauergruppen begeistern, die RTL, Sat.1 und Co. seit langem den Rücken zugekehrt haben.
Was bringt das TV-Jahr 2014? Glaubt man den Diskussionen der Medienbranche aus den vergangenen Jahren so lautet der Trend der Zukunft ziemlich unzweifelhaft Video-on-Demand, also Fernsehen, das aus dem Netz per Abruf ins heimische Wohnzimmer oder aber auf Smartphone oder Tablet kommt. Das klassische lineare Fernsehen scheint sich hingegen schon auf dem absteigenden Ast zu befinden. Doch dieser Eindruck täuscht.
Fakt ist: Auch die lineare TV-Landschaft ist spätestens seit dem Durchbruch des digitalen Fernsehens ungeheuer in Bewegung geraten. Nie war es einfacher für Veranstalter, neue Sender mit hoher technischer Reichweite an den Start zu bringen. Neben zahlreichen kleineren Anbietern, die versuchen, ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen, sind es dabei vor allem die großen Sendergruppen, die mit immer neuen Kanälen versuchen, jeden Teil des potentiellen TV-Publikums auf ihrer Seite zu halten. Dies hat in den vergangenen Jahren zu einer nicht unerheblichen Zahl an neuen Spartensendern geführt, die bisweilen vor allem über Satellit und IPTV zu den Zuschauern gelangen.
Nach jungen Sendern wie RTL Nitro, RiC, Sat.1 Gold, Ebru TV, Joiz, ProSieben Maxx und Welt der Wunder TV stehen mit dem neuen Disney Channel und TLC bereits die nächsten Sender für das erste Halbjahr 2014 in den Startlöchern. Beide kommen – wie schon der Großteil der neuen Sender in den letzten Monaten – mit einer klaren zielgruppenspezifischen Ausrichtung (der Disney Channel für Kinder und Frauen, TLC für ein weibliches Publikum) daher, ein Konzept, das zumindest bisher aufzugehen scheint. Dabei bieten die neuen Sender nicht nur die Möglichkeit, die Zuschauer aufzufangen, die den großen Sendern wie Das Erste, ZDF, RTL, Sat.1 und Co. verloren gehen, sondern unter Umständen auch Zuschauer zurückzugewinnen, die sich ansonsten schon länger vom linearen TV verabschiedet hatten.
Denn mit den neuen Spartensendern haben immerhin auch einige Programmfarben den Weg zurück ins lineare Fernsehen gefunden, die in den letzten Jahren in den großen Hauptsender kaum noch vertreten waren. Unter anderem die fiktionalen Serienstoffe, die bei RTL, Sat.1 und Co. zu den attraktivsten Sendezeiten schon längst den quotenträchtigeren Reality-, Scripted-Reality- und Casting-Formaten weichen mussten. Klar, anspruchsvolle Serien erreichen längst nicht die zweistelligen Marktanteile von „Bauer sucht Frau“ oder „The Voice“.
Das bedeutet aber nicht, dass es in Deutschland kein Publikum für diese gibt. Dieses Publikum, so scheint es, wurde nur von den großen Sendern in den vergangenen Jahren mit Nachdruck vergrault, sodass Liebhaber anspruchsvoller Serienstoffe bis auf wenige Dauerbrenner-Formate von vorn herein einen Bogen um die großen Kanäle machen. Sie setzen lieber auf Pay-TV-Sender, Abruf-Angebote im Internet oder DVD- und Blu-ray-Veröffentlichungen. Nicht umsonst ließ sich Universal-Chefin Katharina Behrends im vergangenen Jahr zu der Bemerkung hinreißen, dass Programmangebot im Free-TV würde mehr und mehr verflachen und hochwertige fiktionale Inhalte seien nur noch im Pay-TV zu finden.
Gerade hier bieten kleinere zielgruppenspezifische Sender jedoch die Möglichkeit, auch dieses Publikum wieder einmal für das lineare TV-Programm zu begeistern. Hier müssen die Veranstalter keine zweistelligen Quotenmarktanteile erreichen und können sich mit weniger Zuschauern zufrieden geben. Gute Ansätze, wie dies funktionieren kann, zeigen etwa ProSieben Maxx oder RTL Nitro. Auch das ZDF bemüht sich, auf ZDFneo einige Serienstoffe unterzubringen. Das beste Beispiel, wie ein Sender mit zielgruppenspezifischen, vornehmlich fiktionalen Inhalten funktionieren kann, liefert jedoch seit Jahren ProSieben.
Es bleibt zu hoffen, dass die Veranstalter hier ihrer Linie treu bleiben und nicht der Versuchung verfallen, ihre Hauptprogramme ein weiteres mal zu kopieren. In jedem Fall bieten weitere Spartensender die Möglichkeit, das lineare TV-Programm breiter aufzustellen und insgesamt interessanter zu gestalten, sodass die zunehmende Verflachung im Free-TV nicht zwangsläufig erfolgen muss. Letztlich wird es aber auch an den Zuschauern liegen, ob das TV-Programm interessant bleibt. Wenn diese bereit sind, auch kleineren Sendern eine Chance zu geben, dann kann dies auch für die Veranstalter ein Zeichen sein, dass sich Filme und Serien auch im Free-TV nach wie vor lohnen. [Patrick Schulze]
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