Die Schmähkritik gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan brachte Jan Böhmermann hunderte Anzeigen von Privatpersonen ein. Gleichzeitig naht allerdings Unterstützung aus dem Norden.
Nicht nur der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan empfand das Schmähgedicht von Jan Böhmermann als Beleidigung. Auch zahlreiche Privatpersonen reichten Klage ein. Inzwischen beläuft sich die Zahl der Anzeigen, die der Mainzer Staatsanwaltschaft vorliegen, auf mehrere hunderte. „Die Strafanzeigen bewegen sich geschätzt im oberen dreistelligen Bereich“, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller der „Rheinischen Post“.
Der weitere Ablauf im Fall Böhmermann ist derzeit allerdings noch nicht klar. Die Entscheidung, ob der Tatverdacht gegen den ZDF-Satiriker für eine Anklage ausreichend ist, wird erst nach der anberaumten Anhörung Böhmermanns gefällt. Nachdem am Montag die offizielle Ermächtigung der Bundesregierung zur Strafverfolgung Böhmermanns sowie das Strafverlangen der Türkei eingingen, könnte die Anklage nicht nur „normale“ Beleidigung lauten, sondern auch Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes, die wesentlich schwerwiegender ist und auf die bis zu drei Jahre Haft stehen.
Allerdings könnte die Möglichkeit auch schnell zu Fall kommen. Denn Böhmermann ereilt nun Unterstützung aus dem Norden. Hamburg will Paragraf 103 schnellst möglich kippen. Die rot-grüne Hamburger Regierung verabschiedete am Dienstag einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Paragrafen, der die Strafverfolgung Böhmermanns wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes möglich macht. Sollten die Länder das Gesetz im Bundesrat abnicken, könnte der sogenannte Majestätsbeleidigungs-Paragraf schon bald der Vergangenheit angehören. In diesem Fall könnte Böhmermann der Strafverfolgung wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes entgehen.
In seiner Satire-Sendung „Neo Magazin Royale“ hatte Böhmermann in einem Schmähgedicht nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik verdeutlichen wollen. Dabei war er den türkischen Präsidenten mit deutlichen Worten heftig angegangen. Zuvor hatte es um einen satirischen Beitrag des NDR-Magazins „extra 3“ viel Wirbel gegeben. Die türkische Regierung hatte durch Einberufung des deutschen Botschafters in Ankara gefordert, die Veröffentlichung des Beitrags über Erdogan zu stoppen.
UPDATE 27. April 2016, 16.00 Uhr
Auch Böhmermann bereitet sich nun auf das vor, was die Schmähkritik nach sich ziehen wird. Wie die Mainzer Staatsanwaltschaft der deutschen Presseagentur am Mittwochnachmittag sagte, hat der Anwalt des ZDF-Satiriker inzwischen Akteneinsicht gefordert. [kw]
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