Dokumentarist bezeichnet Scripted Reality als „Sozialporno“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Dokumentarfilmer Andreas Veiel hat Formate wie „Verdachtsfälle“ (RTL), „Familien im Brennpunkt“ (RTL) und „X-Diaries“ (RTL2) scharf kritisiert. Der Regisseur von Filmen wie „Blackbox BRD“ wirft diesen Sendungen vor, genau nicht die Realität zu zeigen, von der ständig die Rede ist.

Veiel kritisierte die als Dokusoaps getarnten Sendungen, in denen Laienschauspieler nach einem Drehbuch agieren. Der Filmemacher sagte in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“, auffällig bei diesen Formaten sei das Bestreben der Regie, dem Zuschauer in jeder Szene einen emotionalen Kick zu verschaffen. „Es wird gepöbelt, geweint, geschrien und gehauen. Darsteller funktionieren wie Durchlauferhitzer. Das Innerste wird nach außen gekehrt, jede Szene steuert auf einen Ausbruch hin. Es gibt keinen Platz für Zwischentöne. Dieses Format bedeutet die Hinrichtung der Grauzone. Das nenne ich einen Sozialporno.“

Darauf, dass es sich bei den Produktionen um eine fiktionale Geschichte handelt, weisen die Produzenten erst im Abspann hin. Transparenz werde nur behauptet, so Veiel. „Es müsste noch klarer gemacht werden, dass es sich um Schauspieler handelt. Stattdessen wird ihm vorgegaukelt, die Sendungen bildeten die Realität ab.“

Veiel sorgt sich darum, dass das Format als „Reenactment“ auch bei den Öffentlich-Rechtlichen eingeführt wird. „Wenn der NDR in dieser Richtung durchlässiger werden würde, was vor dem Hintergrund des Quotendrucks und der kostengünstigeren Produktion der Pseudo-Dokusoaps eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat, würden damit bei jungen Menschen Sehgewohnheit geprägt werden.“ Eine Gefahr läge dann darin, dass die Realität so zurechgebogen werde, dass sie in einer bestimmten Richtung funktionieren solle. „Dabei ist es genau das, was Dokumentationen leisten sollen: Das langsame Entwickeln, das genaue Hinschauen auf etwas, was sich nicht sofort eindeutig präsentiert.“

Veiel setzt in dieser Hinsicht auf die Politik, die letztlich für die Öffentlich-Rechtlichen verantwortlich sei. „Wir fordern die Ministerpräsidenten der Länder auf, gesetzgeberisch tätig zu werden. Wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen Gebühren kassiert, muss es auch dafür sorgen, dass in Qualität investiert wird. Ein bestimmter Prozentsatz sollte für dokumentarische Formate reserviert werden. Dazu kann zum Beispiel auch das sogenannte „Reenactment“ gehören – allerdings mit Schauspielern.“[mw]

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