In mehr und mehr Ländern weht dem ACTA-Abkommen zur internationalen Durchsetzung des Urheberrechts ein kalter Wind entgegen. Nun hat sich auch Deutschland den Kritikern angeschlossen und der Zeitpunkt könnte nicht besser sein, denn am heutigen Samstag demonstrieren bundesweit Netzaktivisten gegen ACTA.
Vor zwei Wochen kannte kaum jemand die Abkürzung ACTA. Heute beschäftigt dieses umstrittene Abkommen zum Urheberrecht zahllose Menschen so sehr, dass sie deswegen auf die Straße gehen. Und die im Internet gestartete Protestbewegung feiert erste Erfolge: Die Bundesregierung hat die geplante Unterzeichnung des Abkommens ausgesetzt. Gleichwohl halten die Gegner des Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen) an ihren Demonstrationen am Samstag fest, zu denen die Veranstalter mehrere zehntausend Teilnehmer in 60 deutschen Städten erwarten.
„Bei ACTA ist über die Grenzen hinweg ein europäischer zivilgesellschaftlicher Widerstand entstanden“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz am Freitag in Berlin. „Und dass der sehr mächtig ist, hat man bereits bei den Gesetzesinitiativen in den USA gesehen“. Dort schafften es Aktionen wie ein eintägiger „Internet-Blackout“ mit Beteiligung der Wikipedia, die geplante Verschärfung des Urheberrechts unter den Schlagworten SOPA und PIPA im US-Kongress erst einmal zu stoppen. Das Auswärtige Amt betonte am Freitag, das Aussetzen der Unterzeichnung bedeute keine endgültige Entscheidung zu ACTA.
Die Emotionen gehen im Netz mitunter so hoch, dass die sachliche Diskussion zu kurz kommt. So wurde der Widerstand gegen ACTA zu einem Freiheitskampf hochstilisiert, obwohl der Wortlaut des Vertrags nichts enthält, was eine Änderung der Gesetze in Deutschland nötig machen würde. Allerdings sind viele Formulierungen so vage und allgemein gehalten, dass sie Spielraum für Interpretationen lassen. Und die Intention von ACTA folgt der traditionellen Linie des Urheberrechts, wie es lange vor dem Internet entwickelt wurde. Ignoriert werden hingegen Vorschläge, die den Urhebern geistiger Werke die ihnen zustehenden Einnahmen sichern sollen, gleichzeitig aber die Interessen der Allgemeinheit im Netz anerkennen.
„ACTA ist der falsche Ansatz, das Abkommen setzt auf Repression statt auf neue, dem digitalen Wandel angemessene Wege“, kritisiert die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Der Vorsitzende des CDU-Arbeitskreises Netzpolitik, Michael Kretschmer, verteidigt den Ansatz, das Urheberrecht mit einem internationalen Abkommen zu stärken, bemängelt aber, dass solche Verträge wie Geheimabkommen ausgehandelt würden: „Ich wünsche mir eine breite Debatte über den vorgeschlagenen Vertrag“.
„Mit ACTA werde das veraltete Urheberrecht zementiert“, kritisiert der Parteichef der Piraten, Sebastian Nerz. Und ACTA sei „ein Musterbeispiel für die Art und Weise, mit der die Politik derzeit Vertrauen zerstört – an die Stelle parlamentarischer Arbeit und offener Gesetzgebungsverfahren treten internationale, intransparente Geheimverhandlungen und Vertragswerke, die so schwammig sind, dass sie ohne Kenntnis der nicht-öffentlichen Verhandlungsprotokolle nicht abschließend bewertet werden können“.
Abschnitt 5 des Vertragswerks behandelt die „Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im digitalen Umfeld“. Jeder Unterzeichnerstaat habe in seinem eigenen Rechtsbereich für eine wirksame Strafverfolgung und Abschreckung zu sorgen. Internet-Provider sollen Daten wie die IP-Adresse herausrücken, die bei Verstößen eine Identifizierung von Personen ermöglichen. Inhaber von Urheberrechten können dann ihre Ansprüche juristisch durchsetzen.
Zu den 37 Staaten, die das Abkommen vereinbart haben, zählen unter anderem die 27 EU-Mitglieder, die Schweiz, die USA und Japan. In Polen, Tschechien und Lettland wurde die Ratifizierung des Vertrags nach heftigen Protesten erst einmal ausgesetzt. Die treibende Kraft hinter ACTA sind die USA. Doch für Washington ist die geplante Neufassung des Datenschutzes in der EU vermutlich wichtiger als ACTA – denn diese Regeln betreffen unmittelbar das Geschäftsmodell von US-Firmen wie Google und Facebook. [Peter Zschunke/rh]
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