Die Inhalte geben den Ton an – Mit dieser Aussage versuchen sich die Produzenten und Anbieter von TV-Inhalten gegenüber Plattformbetreibern und Endgeräteherstellern möglichst teuer zu verkaufen. Doch es ist wie so oft nur die halbe Wahrheit, denn gerade im Zuge der Digitalisierung ist auch die Bedeutung von technischen Verbreitungswegen und flexiblen Endgeräten gewachsen. Wer ist also der wahre König im Medienhaus?
„Content is King“ – die Inhalte sind das Entscheidende. Diesen Ausspruch hört man seit einiger Zeit überall dort, wo sich Inhalte-Produzenten und -Anbieter im TV-Bereich über die Geschäftsmodelle der Zukunft unterhalten und der Frage nachgehen, wie das digitale Zeitalter die Branche verändert. Dabei versuchen sie natürlich, sich gerade gegenüber den Plattformbetreibern und Geräteherstellern möglichst teuer zu verkaufen, um am Ende ein möglichst großes Stück vom Kuchen abzubekommen.
Die Inhalte sind demnach das Wichtige, das Zentrale, das wofür der Zuschauer und Kunde eigentlich zahlt und die Übertragungswege und Geräte sind nur für deren Auslieferung zuständig. Denn letztlich wären das schnellste Glasfaserkabel und die beste Set-Top-Box ja vollkommen wertlos, wenn der Zuschauer über sie nichts zum Ansehen hätte. Eine korrekte Feststellung, zu der es nur schwerlich eine zweite Meinung geben dürfte. Die eigentlich interessante Frage ist jedoch: Wie wichtig ist die Technik heute für die Inhalte? Oder anders gefragt: Kann der König allein regieren?Die digitale Revolution des Fernsehens
Tatsächlich gibt es zahlreiche Anhaltspunkte, dass gerade die technische Entwicklung auch den Inhalten zu ganz neuer Blüte verholfen hat. Das sogenannte „Goldene Zeitalter des Fernsehens“, es ist ein Zeitalter des digitalen Fernsehens und seiner Möglichkeiten. Neue Ausspielwege wie Video-on-Demand wurden hierzulande etwa erst in den vergangenen beiden Jahren zu echten Geschäftsmodellen. Davor gab es zwar schon lange Anbieter wie Videoload oder Maxdome, aber die konnten ihre Inhalte kaum an den Nutzer bringen, weil wichtige technische Standards einfach noch nicht geschaffen waren. Und dabei geht es keineswegs allein um genügend Breitbandanschlüsse für Internet, sondern auch um andere Punkte wie Usability und Qualität.
Wenn über den deutschen Marktstart von Netflix gesprochen wird und darüber, wie erfolgreich das Unternehmen bereits in anderen Ländern unterwegs ist, so sollte neben den Inhalten vielleicht auch auf die Nutzerfreundlichkeit des Angebotes geschaut werden. Vor allem in diesem Punkt kann die Online-Videothek punkten – auch im Vergleich zu vielen Konkurrenten. Neben der Usability ist jedoch auch die Qualität von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung: High Definition und 5.1-Sound sind für viele Zuschauer in Zeiten der Blu-ray Disc bei Kinofilmen und hochwertigen Serien mittlerweile unverzichtbar und werden nachgefragt. Hinzu kommen Komfortfunktionen wie Offline-Nutzung und die Verfügbarkeit zu jeder Zeit. Pay-TV als Beispiel
Auch im Pay-TV musste man dies lernen. Gleichzeitig ist dieser Bereich in Deutschland das beste Beispiel dafür, wie die technische Weiterentwicklung des Fernsehens die Angebote insgesamt attraktiver gemacht hat. Exklusive Inhalte hatte man im Bezahlfernsehen auch schon zu Premiere-Zeiten. Aufgrund der geringeren Konkurrenz waren diese mitunter sogar noch exklusiver, als sie es heute sind. Wirklich punkten konnte beispielsweise der Anbieter Sky Deutschland in den vergangenen Jahren jedoch mit Themen wie HDTV, zeitversetzter Nutzung via Festplattenrecorder oder mobiler Nutzung über den hauseigenen Web-TV-Dienst Sky Go.
Plötzlich konnten die Zuschauer von Bezahlsendern die Inhalte nicht nur ohne Werbung und früher sehen als andere, sondern auch in einer besseren Qualität und das sehr viel flexibler als zuvor. Geschickt generierte man zum bestehenden Wert der Inhalte einen technischen Mehrwert, der diese umso attraktiver machte. Wenn Peter Schulz, Vize-President für On-Demand-Programming bei Sky, auf der Anga Com feststellte, dass es um die Inhalte geht und die technische Seite nur die Basics darstellen würde, dann ist dies genau genommen keine Abwertung der Technik, sondern eine Aussage darüber, dass mittlerweile gewisse Grundlagen erwartet werden. Andere Plattformanbieter wie die großen Kabelnetzbetreiber und die Deutsche Telekom sind hier entweder schon nachgezogen oder auf dem besten Wege dies zu tun. Es ist anzunehmen, dass die gleichen Mechanismen im Bereich der zahlungspflichtigen Video-on-Demand-Angebote ebenfalls greifen wird. Am Endgerätemarkt siegt Flexibilität
Auch im Bereich der Endgeräte zeigt sich, dass der Nutzer bereit ist, für Usability und Qualität zu zahlen. Für den schnöden Empfang von Fernsehen reicht heutzutage relativ wenig Technik aus, die zudem auch günstig zu haben ist. Wer jedoch mehr will, der ist in vielen Fällen auch bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Gerade am Endgerätemarkt gehen inhaltlicher und technischer Mehrwert dabei oft Hand in Hand. Wer die HbbTV-Angebote der Fernsehsender nutzen möchte, der braucht dafür ein Empfangsgerät, das die entsprechenden Funktionen unterstützt. Wer zusätzliche Mediatheken nutzen möchte, kommt oft um eine Set-Top-Box mit Internet-Anbindung nicht herum.
Hatten nicht wenige der klassischen Set-Top-Box noch vor einigen Monaten das Ende vorausgesagt, so erleben gerade die vornehmlich im Mittel- oder Hochpreissegment angesiedelten Receiver und PVRs mit dem Linux-Betriebssystem Enigma2 eine unheimliche Nachfrage. Gerade diese Geräte bieten auf die Frage „Wie Nutze ich meine Lieblingsinhalte möglichst nach meinen persönlichen Vorlieben?“ umfangreiche Antworten in Form von nutzerprogrammierten Plugins, die oftmals die offiziellen Smart-TV-Apps der Plattformbetreiber in Sachen Usability und Vielseitigkeit übertrumpfen. Hier zeigt sich, dass der Zuschauer bereit ist, für einen empfundenen Mehrwert, auch auf der Geräteseite nach wie vor auch mehr zu zahlen.
Ein weiteres Beispiel wäre der Chromecast-Stick von Google. Ein kleines Device, dass überraschend zum Verkaufserfolg wurde. Dabei bringt es dem Zuschauer erst einmal gar keine neuen Inhalte, sondern erlaubt nur die flexiblere Nutzung von bereits verfügbaren Angeboten – etwa die Darstellung von Smartphone-Apps auf dem TV-Gerät.Regiert wird nur gemeinsam
„Content is King“ – diese Aussage behält trotz all dem geschilderten ihre Richtigkeit. Ohne Inhalte werden Plattformen und Endgeräte letztlich keine Kunden finden. Aber der König ist eben kein Alleinherrscher, sondern für das funktionieren seines Staates auf die Plattformbetreiber und Endgerätehersteller angewiesen. Wer hier schläft oder sich zu stark abschottet, der könnte letztlich empfindlich an Macht einbüßen. Somit besteht letztlich eine beidseitige Abhängigkeit.
Erfreulich ist vor diesem Hintergrund, dass Inhalteanbieter, Inhalteproduzenten, Plattformbetreiber und Endgerätehersteller mittlerweile die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit immer stärker realisieren. Gezeigt hat sich das in der vergangenen Woche beim gemeinsamen Medienkongress von Anga Com und Medienforum NRW. Auch der ein oder andere Vertreter der angesichts der Messe zahlreich angereisten Gerätehersteller verirrte sich dabei in die Panels zu Themen wie Medien- und Plattformregulierung und zeigte dabei, dass die Sensibilisierung auch auf dieser Seite begonnen hat. [Patrick Schulze]
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