Nach kritischen Jahren hat die Cebit ihre Balance gefunden. Ohne den Nahverkehrsstreik hätte sie aber weit mehr Besucher angezogen. Für den scheidenden Chef ist es ein Abgang mit gemischten Gefühlen.
Zur Wehmut des Abschieds gesellt sich ein diplomatisch formulierter, wenngleich kaum verhohlener Rüffel an die Spielverderber an der Streikfront: „Es müsste eigentlich nicht sein, was da passiert ist. Und es ist traurig, dass dadurch tausende Geschäftskontakte verloren gingen“. Cebit-Chef Ernst Raue blickt mit einer Mischung aus Stolz und nur mühsam unterdrückter Verärgerung auf die diesjährige Auflage der weltgrößten Computerschau zurück.
Der erfahrene Messemacher hat bei der vorläufigen Bilanz am Samstag in Hannover auch allen Grund dazu. Zwar gelang es der Cebit, nach der Trendwende 2011 die Zahl der Aussteller bei gut 4200 und wohl auch das Interesse der Gäste auf Vorjahresniveau zu halten. Bis zum Abend könne die Marke von 339 000 Besuchern erneut erreicht werden, sagt Raue. Morgens seien schon viele aufs Gelände geströmt.
Die mehr als doppelt so hohen Rekordwerte des Jahres 2001 bleiben in weiter Ferne, die Konkurrenz durch andere Hightech-Schauen ist stark. Doch der im Prinzip erfreuliche Abschluss der Cebit 2012, die bis zum Vorjahr mit teils herben Einbußen zu kämpfen hatte, hat für Raue eine Schattenseite: Ohne die Verdi-Warnstreiks, die am Donnerstag auch den öffentlichen Nahverkehr in Hannover lahmgelegt hatten, wäre sein Messe-Finale sicher mit einem satten Teilnehmer-Plus garniert worden.
„Der Streik hat uns sehr viele Gäste gekostet“, meint der langjährige Cheforganisator, der sein Amt nun an den Ex-IBM-Manager Frank Pörschmann abgibt. „Ich habe kein Verständnis dafür“.
Dabei liegt Raue auf einer Linie mit zahlreichen Hannoveranern. OB Stephan Weil (SPD), Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) und das Team der Deutschen Messe AG waren am dritten Cebit-Tag nicht die einzigen, die als „Hobbytaxifahrer“ gestrandete Gäste auf das Ausstellungsgelände chauffierten. Auch viele Bürger beteiligten sich. „Die Menschen waren entschlossen, sich das so nicht bieten zu lassen“, sagt Raue.
Die positive Nachricht: An den übrigen Tagen brummte es in den Messehallen. „Für die meisten Unternehmen, mit denen wir geredet haben, war es eine ausgesprochen gute Cebit. Die Kontaktdichte war nochmals höher“, sagt Raue. Mehr als 7 Millionen Geschäftsgespräche seien geführt worden – alles in allem „eine sehr effiziente Messe“. Und der Auftritt des Partnerlands Brasilien habe viele überrascht.
Am Vier-Säulen-Konzept mit Angeboten für IT-Profis, Privatnutzer, Forschung und Verwaltung wurde nicht gerüttelt. Über 700 Technikchefs waren akkreditiert, ein Einkaufsvolumen von mehr als 50 Milliarden Euro vertreten. „Wir schauen insgesamt auf eine sehr erfolgreiche Cebit 2012 zurück“, resümiert der Präsident des Verbands Bitkom, Dieter Kempf. „Die Messe hat gezeigt, dass die Branche gut unterwegs ist. Trotz der nicht einfachen Wirtschaftslage hält sie sich“.
Der Bitkom-Chef wird nicht müde zu betonen, dass die bloße Teilnehmerzahl nichts über die langfristige Wirkung einer Messe aussage. So habe etwa der Auftritt von Audi gezeigt, dass Autobauer die Vernetzung von Informations- und Sicherheitssystemen zum Anlass nehmen, bei der CeBIT vorbeizuschauen. Der IT-Wirtschaft selbst gehe es gut: Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Bitkom im deutschen Markt ein Umsatzplus von 1,6 Prozent auf 151 Milliarden Euro.
Das Leitthema „Managing Trust“ – die Erhöhung der Sicherheit und des gegenseitigen Vertrauens im Netz – habe gezündet, sagt Kempf. „Trotz der Sperrigkeit: Es ist ein fundamental wichtiges Thema“. Eine zentrale Ansicht von Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt, der die Cebit mit eröffnet hatte, teile er allerdings nicht: „Ich glaube nicht, dass wir Vertrauen zu Technologien fassen können. Wir fassen Vertrauen zu Menschen. Das geht vom Cloud Computing über soziale Netzwerke bis zum Herunterladen von Apps fürs Smartphone“. Einige Äußerungen Schmidts hatten auch für Reibereien mit Microsoft gesorgt.
Am Ende halten die CeBIT-Macher ihr jährliches Großprojekt für gelungen – auch weil abseits der Stände von Schwergewichten wie IBM die Gründer-Show „Code_n“ junge IT-Unternehmer und Risikokapitalgeber zusammenbrachte. „Diese Branche muss neues Blut bekommen“, sagt Altmeister Raue. Pörschmann, der Neue, stimmt zu: „Die Frage, wie sich Start-ups positionieren, wird wichtiger“. Bei der nächsten Cebit (5. bis 9. März 2013) sollen die Kleinen wieder großen Raum bekommen. [rh]
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