
Die Geschäftszahlen: tiefrot. Das TV-Segment: aus der Geschäftsbilanz gestrichen. Wachstum: nicht in Sicht. Mit Ausnahme der Playstation 4 und ausgewählten Fotolösungen steht Sony ohne Zugpferd da. Könnte ein neuer Walkman die Kehrtwende bringen?
Apple bringt mit der Apple Watch eine Uhr auf den Markt, obwohl diemeisten Nutzer nur noch Smartphones mit sich herumtragen. Panasonicbelebt die Marke Technics wieder und bringt High-End-Audiolösungen aufden Markt, obwohl kompakte Bluetoothlautsprecher und Multiroom-Systemeangeblich der Wachstumsmarkt schlechthin sind. Es scheint, dass inZeiten aller digitalen Möglichkeiten die Sehnsucht entsteht, altbekannteThemen neu erlebbar zu machen und dabei nicht mehr, sondern wenigerAblenkung vom Kernthema gefragt ist.
Sonys Bestreben, mit Vaio-Computern und Mobiltelefonen im Massenmarktherumzuwildern, hat sich rückblickend als katastrophalerwirtschaftlicher Flop erwiesen, der weitaus schwerwiegendereKonsequenzen nach sich ziehen dürfte, als die ebenfalls dauerhaftkrieselnde Flachbild-TV-Sparte. CEO Kazuo Hirai mag noch so oft von derstärkeren Symbiose der unterschiedlichen Produktbereiche predigen, dochseine Strategie hat Sony womöglich um wichtige Zukunftschancen beraubt.
Mobile, Gaming und Foto waren Hirais Kernthemen, von denen nur dieGaming-Sparte (Playstation) nachhaltig Gewinn abwirft. Das für Hiraiwenig Schmeichelhafte: Die wirtschaftliche Talfahrt mit der Playstation3 hatte er in leitender Form bei Sony Computer Entertainmentmitzuverantworten, am Erfolg der Playstation 4 haben andere mitgewirkt,allen voran Andrew House, Mark Cerny und Shuhei Yoshida. DieHerangehensweise bei der PS4 unterschied sich maßgeblich von vorherigenPlaystation-Einführungen: Entwickler wurden während der erstenProduktkonzeptionen aktiv in den Gestaltungsprozess eingebunden, dieBedürfnisse von klassischen Videospielern berücksichtigt, dieHardwarearchitektur auf Preis und Leistung statt auf Vielseitigkeitgetrimmt und die Markteinführung verlief strukturierter, als dasEinführungsdebakel der Playstation 3.
Der Erfolg der PS4 könnte für Hirai ein Fingerzeig sein, doch würde diesgleichermaßen bedeuten, dass er von seinen eigenen Überzeugungenabrücken und damit eigene Fehler eingestehen müsste. Noch immer versuchtHirai zusammenzuführen, was augenscheinlich nicht zusammenpasst, z.B.riesige Fotoobjektivaufsätze mit hauchdünnen Smartphones zu kombinieren.Genau solche Produkte stellen Sonys Kernproblem dar: Einerseits liefertSony mit der klassischen Kompaktkamera RX100 ein Produkt ab, das jedeSmartphonekamera zum Kinderspielzeug degradiert. Andererseits wirbt Sonymit Objektiven, die Mobiltelefone zur Kamera umrüsten, doch weder beimGesamtpreis für Smartphone und Objektiv noch bei den Maßen dieserHybridlösung sind Vorteile gegenüber der klassischen Fotokamera zufinden. Die Marke Sony ist für den Endkunden dadurch kaum nochdurchschaubar, weil sich unterschiedliche Produktbereiche scheinbargegenseitig ausspielen.
Diese nicht mehr nachvollziehbare Produktphilosophie setzt sich beimMarketing fort: Statt Kernkompetenzen (Bild, Ton, technischeUnterschiede) deutlich für den Kunden hervorzuheben, werdenAllerweltsthemen (smarte Features, Apps, Design) nach vorn gestellt, mitder Botschaft, dass Sony auch gern ein Samsung oder Apple sein möchte.Doch Sony ist kein Samsung, das hunderte Produktfelder sowohl in derProduktion als auch im Marketing und Service abdecken kann. Sony istauch kein Apple, das den Fokus auf ein bestimmtes Produkt legt (AusnahmePlaystation). Sony sitzt zwischen den Stühlen und Kazuo Hirai istbislang die Frage schuldig geblieben, wo Sonys Platz zu finden ist.
Sonys Walkman ist in dieser Situation mehr als nur ein Produktname, eskönnte gleichermaßen die Umschreibung eines neuen Führungsstils sein,der Sonys Produktausrichtung zurück in irdische Gefilde holt und dieProdukte besser den Kundenbedürfnissen anpasst. Könnte ein neuer Walkmangenau jenes Produkt sein, das Sony wichtige Aufmerksamkeit beschert undwirtschaftlich funktioniert? Ja, wenn es vor allem das ist, was eseinmal war (und was Smartphones nicht sind): Die eleganteste und coolsteMöglichkeit, unterwegs Musik zu genießen. Smartphones bieten einemiserable Akkulaufzeit (Energiefalle Display), zerspringen beim Aufprallauf harte Oberflächen in tausend Teile und bieten kein haptischesFeedback. Ein modernes Design passend für die Hosentasche oder dasHandgelenk, widerstandsfähige Materialien, eine energieeffizienteAnzeige nach E-Book-Reader-Vorbild, echte Tasten zur Blindbedienung undeine drahtlose Kommunikation mit den In-Ear-Kopfhörern (samtAuflademöglichkeit durch das Andocken am Walkman) könnten eine Variantedarstellen, die Nische in der Nische neu zu besetzen. Doch Kazuo Hiraiträumt nicht von der Nische, sondern er träumt vom Weltmarkt, denmittlerweile andere Schwergewichte beherrschen. Vielleicht wäre erdeshalb als CEO bei Samsung oder Apple besser aufgehoben, denn für SonysZukunft könnten Kazuo Hirais Pläne ein paar Nummern zu groß sein. [Kommentar von Christian Trozinski, Chefredakteur HDTV]
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