Böhmermann will gegen Erdogans einstweilige Verfügung vorgehen

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Jan Böhmermann geht zum Angriff im Rechtsstreit mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen seiner Schmähkritik über.

Der Satiriker und ZDF-Moderator Jan Böhmermann will die einstweilige Verfügung gegen sein Gedicht „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht hinnehmen. Dem Hamburger Landgericht seien bei seiner Entscheidung schwere handwerkliche Fehler unterlaufen, sagte Böhmermanns Anwalt Christian Schertz am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Schertz will dem türkischen Präsidenten über das Gericht eine Frist von vier Wochen setzen lassen. Innerhalb dieser Zeit müsse Erdogan dann eine sogenannte Hauptsacheklage erheben. Sollte er das nicht tun, verfalle die Verfügung. Notfalls wolle er auch bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, kündigte Schertz an.
 
Denkbar ist, dass sogar Erdogan rechtlich gegen die einstweilige Verfügung vorgeht. Der am Dienstag verkündete Beschluss müsse allerdings noch förmlich zugestellt werden, sagte ein Gerichtssprecher am Mittwoch. Erst dann laufe für Erdogan eine zweiwöchige Frist, eine sofortige Beschwerde einzureichen, weil sein Antrag teilweise zurückgewiesen wurde.
 
Böhmermanns Anwalt Schertz nannte die einstweilige Verfügung „eklatant falsch“. Das Gericht habe zwar festgestellt, dass das Gedicht ein Kunstwerk sei, es dann aber zerlegt, um Teile davon isoliert zu verbieten. Außerdem habe das Gericht den Zusammenhang außer acht gelassen. Der Satiriker habe in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ Ende März zeigen wollen, was erlaubt sei und was nicht und wo die Grenzen zur Schmähkritik lägen.
 
Böhmermann (35) darf nach der Entscheidung des Landgerichts vom Dienstag die „schmähenden und ehrverletzenden Passagen“ seines Gedichts über den türkischen Präsidenten nicht mehr wiedergeben (Az.: 324 O 255/16). Im Fall einer Zuwiderhandlung droht nach Angaben des Gerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki kritisierte in der „Bild“ (Mittwoch) diese Differenzierung: „Man kann das Gedicht nicht insgesamt als Satire einstufen und dann in Einzelteile zerlegen und einige Teile rausnehmen. Das wäre so, als wenn man das Bild der Mona Lisa zum Kunstwerk erklärt, um ihr das Lächeln wegen aufreizenden Flirts untersagen zu wollen.“
 
Ob es unabhängig von der einstweiligen Verfügung außerdem zu einem Prozess kommt, bei dem sich Böhmermann wegen Beleidigung verantworten muss, ist offen. Eine Prognose, wann darüber entschieden wird, sei derzeit nicht möglich, teilte die Staatsanwaltschaft Mainz am Mittwoch auf Anfrage mit. „Ganz kurzfristig wird dies jedoch nicht der Fall sein.“
 
Eine Vernehmung des TV-Moderators und Satirikers sei jedoch nicht geplant, da er inzwischen von einem Anwalt vertreten werde. Böhmermann droht im Fall einer Verurteilung eine Strafe auf Grundlage des Paragrafen 185 des Strafgesetzbuchs wegen Beleidigung und nach Paragraf 103 wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes. [dpa/kw]

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14 Kommentare im Forum
  1. Ja gut so, das er sich wehrt, auch wenn die Kosten des Rechtsstreites vom ZDF getragen wird. Aber hier sind diese Ausgaben des Gebührenzahlers sinnvoll, schließlich hat er den Gebührenzahler mit seiner Kontexterklärung was Satire nicht darf auch positiv und ggf. komödiantisch befriedigt. (y)
  2. Naja, das ist gerade das Gegenteil was er macht, er geht gerade (noch?) nicht gegen die einstweilige Verfügung vor, sondern hat Erdogan eine Frist zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens gesetzt. Wenn Erdogan dies einleitet, womit zu rechnen ist, bleibt die einstweilige Verfügung erst einmal unbeschränkt in Kraft. Das Hauptsacheverfahren dauert länger und wird erst einmal wieder an der gleichen Kammer des Landgerichts verhandelt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die ihre Meinung ändern. Ich könnte mir vorstellen, dass Schertz eine schnelle Entscheidung des OLG Hamburg im Verfügungsverfahren gerade vermeiden will, um das zivilgerichtliche Verfahren in die Länge zu ziehen. Wahrscheinlich sieht er tatsächlich wenig Chancen für seinen Mandanten, hier noch zu gewinnen. Ein OLG-Urteil würde beim Amtsgericht Mainz, welches bei einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft vermutlich das Verfahren durchführt, wahrscheinlich schon noch etwas mehr Eindruck als ein einfaches Urteil des Landgerichts Hamburg machen. Ob der kleine Amtsrichter, der für das Verfahren zuständig sein wird, das dann wirklich ganz anders beurteilt, als dann zwei Gerichte, u.a. das OLG in Hamburg, wird man dann sehen...
  3. Typisch LG Hamburg. Das Gericht hat festgestellt, dass das Gedicht ein Kunstwerk sei, es dann aber zerlegt, um Teile davon isoliert zu verbieten. Man kann auch kein Gemälde auseinanderschneiden und dann nur teilweise freigeben.
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