Bertelsmann braucht Geld – und verkauft RTL-Anteile

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Bertelsmann will sich breiter aufstellen. Das geht aber nur mit mehr Kapital in der Hand. Die Gütersloher wollen daher Aktien der RTL Groupverkaufen. Die 75-Prozent-Mehrheit gilt wohl weiter als heilig.

Bertelsmann überrascht mit einer Kehrtwende. Jahrelang strebte Europas größter Medienkonzern das alleinige Sagen bei der lukrativen Fernsehtochter RTL Group an. Jetzt plötzlich diese Ankündigung: Die Gütersloher erwägen sich von vielen Anteilen am Luxemburger Goldesel zu trennen, irgendwann statt 92,3 Prozent nur noch die strategische Drei-Viertel-Mehrheit zu halten. Warum? Die Antwort gab Konzernchef Thomas Rabe eigentlich schon vor einem Jahr. „Bertelsmann stand noch nie für besondere Kapitalstärke, das war immer ein Engpass“, klagte er damals in einem „Spiegel“-Interview kurz nach dem Amtsantritt als Vorstandschef. Rabe muss es wissen: Er war vorher jahrelang Finanzvorstand von Bertelsmann.
 
Rabe deutete schon im vergangenen Jahr an, die Beteiligung an der Fernsehfamilie, zu der in Deutschland RTL, RTL II, Super RTL, Vox, RTL Nitro und n-tv gehören, könne größer oder kleiner werden. Der Chef krempelt den Medienkonzern seit einem Jahr kräftig um, er will in breiter aufstellen – und unabhängiger vom TV-Geschäft werden. Zuletzt machten etwa auch Bucherfolge wie „Shades of Grey“ den Ostwestfalen Freude.
 
Doch die Zukunft liegt eher woanders: In Digitalgeschäften, in der Erwachsenenbildung, Musikrechten, in neuen Märkten wie China, Indien, Brasilien. Ex-Sony-Manager Thomas Hesse ist seit 2012 im Vorstand zuständig für „Unternehmensentwicklung und neue Geschäfte“. Er ist als Visionär in die Konzernzentrale geholt worden. Doch Hesse muss dafür viel Geld in die Hand nehmen. Das könnte der Aktienverkauf bringen. Der mögliche Erlös solle „flexibel in neue strategische Wachstumsgeschäfte investiert werden“, erläuterte ein Sprecher am Donnerstagabend.

Die zur Rede stehenden 17,3 Prozent der Stimmrechte waren zu diesem Zeitpunkt noch etwa 2 Milliarden Euro wert. Die Börse reagierte aber am Freitag verstimmt auf die neuen Pläne in der Bertelsmann-Zentrale.
 
„Die Aktie gab um rund 10 Prozent nach und die 17,3 Prozent waren nur noch rund 1,9 Milliarden Euro wert“, sagte Marcus Silbe am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Der Analyst der Close Brothers Seydler Research AG in Frankfurt/Main will das aber nicht überbewerten. „Hier ist eine Unsicherheit entstanden, weil Bertelsmann bis auf die Ankündigung keine weiteren Details veröffentlich hat.“ Wichtiger sei, sagte Silbe, welcher Investor bei RTL einsteigen will und welche strategischen Ziele der Investor hat.
 
In einem Interview mit dem Bertelsmann-Intranet BeNet beeilte sich Rabe am Donnerstag klarzustellen: „Wir glauben weiter fest an die Zukunft des Fernsehens und an die RTL Group.“ Und er sagte: „Als größter Unternehmensbereich von Bertelsmann leistet die RTL Group maßgebliche Beiträge zum Ergebnis und zum Cashflow und verfügt über vielversprechende Geschäfts- und Wachstumsmöglichkeiten.“ Die Frage „Wäre auch eine weitere Reduzierung auf 50,1 Prozent denkbar?“ schmetterte Rabe mit einem knappen wie überzeugten „Nein“ ab.
 
Der Vorstand der RTL Group reagierte mit einem Brief an die Mitarbeiter auf die Ankündigung aus Gütersloh. In dem Schreiben, das dpa vorliegt, begrüßten Anke Schäferkordt, Guillaume de Posch und Elmar Heggen das Bekenntnis von Bertelsmann, Mehrheitsaktionär der RTL Group bleiben zu wollen. Die Aktien der RTL Group, dem größten Geschäftsbereich von Bertelsmann, werden an den Börsen in Luxemburg und Brüssel gehandelt. Es ist eine Ironie des Schicksals: Der Erwerb der RTL-Anteile hatte jahrelang die Spielräume von Bertelsmann eingeengt. Jetzt könnten gerade sie Schlüssel zu mehr Freiheit sein. [Carsten Linnhoff und Christof Bock]

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