Der Skandal um weltweite US-Spionage bekommt eine neue Dimension: Ein Bericht zeichnet das Bild von einer Zusammenarbeit zwischen „tausenden“ amerikanischen Unternehmen und den Geheimdiensten. Alles ist legal – als freiwillige Kooperation aber doch alarmierend.
Der Informant Edward Snowden hat mit seinen Enthüllungen eine Lawine ausgelöst, die das Vertrauen in US-Unternehmen auf lange Zeit erschüttern könnte. Nach Snowdens Enthüllungen über die Analyse von Internetkommunikation durch Geheimdienste beschrieb die Finanznachrichtenagentur Bloomberg einen alarmierenden Schulterschluss zwischen US-Diensten und „tausenden“ US-Firmen aus verschiedensten Branchen von Technologie über Banken bis hin zu Betreibern von Satelliten-Diensten.
Die bisherigen Berichte über das Spionage-Programm „PRISM“ setzten zumindest voraus, dass die genannten Internet-Unternehmen wie Google, Yahoo, Microsoft oder Facebook per Gesetz zur Kooperation mit den Geheimdiensten verpflichtet sind. Der Bloomberg-Bericht zeichnet dagegen das Bild einer freiwilligen Verbrüderung zwischen freier Wirtschaft und der Schattenwelt von Militär und Spionage-Diensten. Vier Personen, keine von ihnen namentlich genannt, hätten das der Finanzagentur bestätigt. Mal passiert das aus Kalkül, weil Manager sich davon Vorteile für ihr Unternehmen erhofften – und auch bekämen. Andere müsse man als „Patrioten“ gar nicht erst lange überreden.
Die Informationen, die nach Angaben von Bloomberg dabei fließen, sind auf den ersten Blick harmlos, aber wertvoll für Geheimdienste. Bei Internet-Infrastruktur dominiert Technik amerikanischer Unternehmen. Das Wissen, wie die Geräte in den Schaltstellen des weltweiten Netzes funktionieren, ist für US-Spione Gold wert.
Die Enthüllungen werfen auch ein neues Licht auf die massive US-Kritik an den chinesischen Netzwerk-Ausrüstern Huawei und ZTE. Sie wurden selbst im US-Kongress als Sicherheitsrisiko bezeichnet, weil sie eventuell mit chinesischen Geheimdiensten verbandelt seien. Jetzt dreht sich der Spieß um und ihre amerikanischen Rivalen kommen ins Blickfeld.
Sehr hilfreich für Geheimdienstler sei auch, wenn etwa der Windows-Riese Microsoft sie über öffentlich noch unbekannte Schwachstellen in seiner Software informiert. So könnten sich Behörden gegen Cyber-Angriffe schützen könnten, erklärt das Unternehmen. Andererseits können die Behörden dieses Wissen auch offensiv einsetzen – Microsoft wisse nichts darüber, wie die Informationen verwendet werden, schreibt Bloomberg.
Typischerweise diene ein Manager aus der Chefetage als Verbindungsperson zu den Geheimdiensten, beschreibt Bloomberg das Verfahren. Nur eine Handvoll Leute innerhalb der Unternehmen wisse Bescheid, oft laufe die Kommunikation direkt zwischen Firmenchefs und den Leitern der Geheimdienste. Da es nicht um Daten der Nutzer geht, gibt es kaum Gesetzesvorschriften, die solche Kooperationen reglementieren würden.
Es ist keine Einbahnstraße: Von der Regierung gebe es Gegenleistungen wie Aufmerksamkeit und Gefälligkeiten. Ein früherer Chef von CIA und NSA, Michael Hayden, betonte, wenn er ein gutes Verhältnis zu einer Firma hätte, die einen Beitrag zur nationalen Sicherheit leiste, „würde ich alles tun, um ihnen zu danken und ihnen das Gefühl zu geben, dass es wichtig und nützlich ist“.
Wie Bloomberg berichtet, bekam Google-Mitgründer Sergey Brin nach einem massiven Hackerangriff 2010 geheime Informationen, die auf eine bestimmte Einheit der chinesischen Armee als Ursprung der Attacke hinwiesen. Brin wurde demnach sogar ein vorläufiger Zugang zu geheimen Informationen erteilt, damit er an einem Behörden-Treffen teilnehmen konnte.
Zugleich wurde jetzt bekannt, dass sich der Internet-Konzern Yahoo 2008 vergeblich gegen die Herausgabe von Informationen an die Behörden gewehrt hatte. Das Unternehmen sei vor das geheime Gericht gezogen, dass Überwachungs-Anfragen nach dem Auslandsspionagegesetz FISA freigebe, berichtete die „New York Times“ am Freitag. Die Regierung habe eine Vollmacht zum breit angelegten Abgreifen von Daten außerhalb der USA gefordert – das passt zum heutigen Wissen über das Spionageprogramm „PRISM“. Yahoo weigerte sich, biss aber bei dem Gericht auf Granit. Für andere Internet-Firmen sei dies ein Signal gewesen, dass Widerstand zwecklos sei, schrieb die Zeitung. [Andrej Sokolow]
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