Während einige Kids noch die Pubertät durchmachen, tasten sich andere schon ins Showbusiness. Ein Mindestalter scheint es in den USA kaum zu geben, viele Sänger sind um die 20 Jahre alt oder jünger. Auf der großen Bühne landeten solche Youngster aber schon vor Jahrzehnten.
Junge, jüngere und jüngste Stars sind in der Musikindustrie keine Seltenheit. Das Magazin „Billboard“ listet als „21 unter 21“ die heißesten Nachwuchskünstler des Jahres auf, betitelt als „nächste Generation der Musik“. VanderWaal, bekannt vor allem als Gewinnerin der Talentshow „America’s Got Talent“, ist ein Extremfall. Aber auch Künstler wie Shawn Mendes (19), Miley Cyrus‘ Schwester Noah (18) und Erick Brian Colón (17) von der Boyband CNCO zeigen, dass Teenager früh an ihren Karrieren basteln. Adele benannte ihr Debütalbum 2008 auch gleich nach ihrem damaligen Alter: „19“ (später folgten entsprechend „21“ und „25“).
„Junge Künstler können mehr riskieren. Wir haben keine Angst und sind von der Welt nicht verdorben“, lässt das Geschwister-Duo Chloe X Halle (17 und 19) aus Atlanta wissen. Bei der „Formation“-Tour von Pop-Übermutter Beyoncé hatten die beiden als Vor-Band einen bleibenden Eindruck hinterlassen – „und das ist er der Anfang“, schreiben die Schwestern auf ihrer Website. Justin Bieber wiederum wirkt mit seinen 105 Millionen Twitter-Followern und fünf jeweils millionenfach verkauften Alben wie ein alter Hase im Geschäft. Zur Erinnerung: Justin Bieber ist 23 Jahre alt.
Verjüngt sich die Industrie also? Nicht, wenn man die letzten 50 Jahre Musikgeschichte heranzieht: „The Kinks“-Frontmann Ray Davies war 20 Jahre alt, als sein Titel „You Really Got Me“ 1964 an die Chartspitze steig. Dennis Seatons brachte seinen Reggae-Hit „Pass the Dutchie“ 1982 mit 15 Jahren heraus und Michael Jackson war beim Release von „ABC“ mit den Jackson 5 nur elf Jahre alt. Britney Spears wurde 1998 mit 18 Jahren auf einen Schlag international bekannt, als sie „…Baby One more Time“ veröffentlichte. Und Wunderkind Stevie Wonder war 12, als 1962 sein Hit „Fingertips“ erschien. „Little Stevie Wonder“ hieß er damals noch – ein kleiner Star eben.
Was zugenommen hat, ist die Menge an musikorientierten TV-Formaten mit und für Kinder und Teenager. Bei der „Mini Playback Show“ nach niederländischer Vorlage ging es in den 1990er Jahren noch eher harmlos zu – „alle waren Sieger, auch wenn einer nur gewinnen kann“, sang Moderatorin Marijke Amado mit den Kleinen damals. In heutigen Casting-Formaten stellen sich die Talente oft dem Urteil härterer Juroren. Die jüngsten Teilnehmer bei den Shows „The Voice“ und „America’s Got Talent“ (AGT) waren 13 beziehungsweise 4 Jahre alt.
Bei den Kids‘ Choice Awards, die am Samstag zum inzwischen 30. Mal vergeben werden, sind ebenfalls Kinder am Drücker: Sie wählen per Abstimmung ihre Lieblinge aus Musik, Film und Fernsehen, und auch wenn ältere Namen wie Dwayne Johnson (45) und Luis Fonsi (39) dabei vertreten sind, legt der Sender Nickelodeon den Fokus auf Stars um die 20. Die nominierte britische Schauspielerin Millie Bobby Brown (14) aus der Netflix-Serie „Stranger Things“ ist sogar im selben, sehr jungen Alter wie Gesangs-Wunderkind VanderWaal.
Die nennt es „verrückt und so überwältigend“, als Jugendliche schon ein professionelles Album veröffentlicht zu haben. „Just The Beginning“ (Erst der Anfang) heißt das bei Columbia erschienene Debüt, auf dem sie ihr Talent mit zehn verträumten bis kraftvollen Titeln zeigt (den Release feierte sie, indem sie sich „den ganzen Tag um die Promotion kümmerte“). Vielleicht müssen sich ältere Hörer auch einfach daran gewöhnen, dass hier eine 14-Jährige Passagen singt wie: „Du redest von einer Hochzeit / Und einem Leben zusammen / Aber oh Honey, ich suche nichts von dem / Was du suchst, oh“.
Zwölf Jahre war die aus Kansas stammende Sängerin alt, als sie als AGT-Gewinnerin das Preisgeld von einer Million Dollar (8,1 Mio Euro) einsackte. Für das Album hat sie acht Monate lang hart gearbeitet, sagt VanderWaal der Deutschen Presse-Agentur, und ist sich sogar über die dabei geltenden Gesetze für Kinderarbeit bewusst: Drei Stunden Arbeit sind in den USA für 14- und 15-Jährige an einem Schultag legal, an Tagen ohne Schulunterricht acht Stunden. „Es hat meine meiste Zeit in Anspruch genommen“, sagt VanderWaal.
Trotz Lob und Segen von Größen wie Taylor Swift, Katy Perry, Reese Witherspoon und Shawn Mendes beharrt sie aber darauf: „Ich bin nicht berühmt.“ Über ihr Album spricht sie mit Schulfreunden auch nicht, sagt sie, denn „das wäre so seltsam“. Und ob das ganze Ding mit der Musik überhaupt zu einer richtigen Karriere werden und ihr Leben bestimmen soll, weiß sie auch noch nicht: „Vielleicht wachse ich da auch einfach raus.“
[Johannes Schmitt-Tegge]
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