Der frühere Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff erhält Schützenhilfe von AOL-Gründer Steve Case. Dieserwiderspricht einer Darstellung in der Unternehmenschronik von Bertelsmann, die Middelhoff in schlechtes Licht rückt.
In der Festschrift zum 175. Bestehen des Medienkonzerns heißt es, Middelhoff habe seinerzeit versucht, den Firmen-Patriarchen Reinhard Mohn zu einer Fusion mit dem Internetdienst AOL zu drängen. Damit habe er riskiert, dass Bertelsmann „nur Juniorpartner“ und „Mohn zur Randfigur“ geworden wäre. Mit seiner Ablehnung habe Mohn „Bertelsmann vor dem schwersten Fehler seiner Geschichte“ bewahrt.
Case dagegen erklärte laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ nun: „Die Ungenauigkeiten in dem Buch haben mich erstaunt. Unglücklicherweise hat niemand mit mir gesprochen. Sonst hätte ich gesagt, dass es nie ernsthafte Verhandlungen für eine Fusion zwischen AOL und Bertelsmann gab.“ AOL habe Ende der neunziger Jahre mit vielen Unternehmen geredet, „aber die Gespräche mit Bertelsmann gingen nie über flüchtige Besprechungen hinaus“.
Middelhoff selbst wehrt sich gegen den Vorwurf, er habe die Eigenständigkeit Bertelsmanns zerstören wollen. Er habe an Mohn lediglich den Wunsch des Amerikaners herangetragen, über eine Beteiligung oder eine Fusion zu sprechen. Doch Mohn habe abgelehnt, so „Der Spiegel“ weiter. Case war einst einer der Stars der New Economy. Seine Online-Firma AOL wuchs so gigantisch, dass er vor zehn Jahren den weltgrößten Medienkonzern Time Warner übernehmen konnte, worauf der Börsenkurs von AOL in den Keller stürzte und Case vom Unternehmensvorsitz zurücktrat.
Zu jener Zeit hatte Bertelsmann seine AOL-Anteile bereits abgestoßen, um den Kauf von RTL zu finanzieren, dem heutigen Gewinnbringer des Konzerns. Middelhoff überwarf sich später mit Mohn und geriet zuletzt als Vorstandschef von Arcandor in die Kritik. [ar]
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