Für RTL lief es schonmal besser. Mit rückläufigen Marktanteilen kämpft sich der Kölner Privatsender durch ein schwieriges Jahr, in dem die Öffentlich-Rechtlichen zudem mit großen Sportevents punkten konnten. Im Interview spricht Geschäftsführerin Anke Schäferkordt über neue Rezepte.
Frau Schäferkordt, Sie haben schon im Herbst 2011 vor sinkenden Marktanteilen des Marktführers RTL gewarnt. Nun ist der Fall eingetreten. Was sind die Ursachen?
Anke Schäferkordt: Wir haben in den beiden Vorjahren Marktanteile erzielt, die auf Rekordniveau lagen. Wir waren aber realistisch genug, nicht davon auszugehen, diese zu halten. Jetzt liegen wir wieder in etwa auf dem Niveau von 2009 und damit weiter deutlich vor den Wettbewerbern. Zwar haben wir in den vergangenen Monaten etwas mehr verloren als erwartet und waren auch nicht wirklich glücklich. Aber diese Entwicklung insgesamt hat wohl manch Außenstehende mehr überrascht als uns selbst.
Und worin liegen da die Gründe?
Schäferkordt: Wir hatten über längere Zeit absolute Marktanteilsspitzen durch eine starke Alleinstellung in diversen Genres – inzwischen hat der Markt darauf reagiert. Wenn man auf die Daytime schaut, so gibt es inzwischen eine Flut ähnlicher Formate auf anderen Sendern, gleiches gilt auch für Castingshows. Mit Nachahmerformaten mussten wir aber rechnen.
Was bedeutet diese Erkenntnis für den Marktführer – wieder mit neuen Rezepten in Vorleistung treten?
Schäferkordt: Da die beschriebene Entwicklung vorhersehbar war, haben wir früh begonnen, eine Fülle neuer Formate, gerade für die Primetime, zu entwickeln. Wir haben uns auf die deutsche Fiction, die Bereiche Show und Real Life konzentriert und sind thematisch vielfältiger geworden. Gleichzeitig haben wir intensiv an unseren bekannten Programmmarken gearbeitet und sie weiterentwickelt.
Rückt das Ende für das Genre Casting näher?
Schäferkordt: Nein. Castingshows werden dadurch nicht verdrängt. Sie werden sicher noch für einige Jahre Thema bleiben, denn wir klagen auf sehr hohem Marktanteilsniveau. Dennoch müssen wir das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wir müssen an den Eckpfeilern unseres Programms weiter feilen, aber auch Innovationen bringen.
Welche Farbe muss denn eine neue Show nun haben – wie wäre es denn mit einem Spektakel wie „Schlag den Raab“?
Schäferkordt: „Schlag den Raab“ ist sicher eine hervorragend gemachte Show, aber auch nicht mehr neu. Wir können mit neuen Ideen aus meiner Sicht nicht nur in eine einzige Richtung gehen. Unsere Konzepte müssen vielfältig sein, von emotional über spektakulär bis hin zu humorvollen Ansätzen. Wichtig ist, dass wir unsere Zuschauer immer wieder überraschen.
Stichwort Günther Jauch: Ist sein Spagat zwischen ARD und RTL für Sie mittlerweile hinnehmbar?
Schäferkordt: „Wer wird Millionär?“ ist und bleibt ein Ausnahmeformat und Günther Jauch ein Ausnahmemoderator. Natürlich haben wir immer mal Schwankungen beim jüngeren Publikum gehabt. Aber die Stabilität, mit der die Sendung beim Gesamtpublikum punktet, ist beachtlich. Auf den Spagat angesprochen: So, wie es gekommen ist, war es der beste Kompromiss – der Talk bei der ARD, die Show bei RTL.
Das ZDF gibt rund 50 Millionen Euro im Jahr für die Championsleague aus. Warum greift RTL nicht tiefer in die Tasche, um mit Top-Sport wie Fußball-Bundesliga, EM oder WM, die Quoten aufzupeppen?
Schäferkordt: Ich würde natürlich liebend gerne Großereignisse wie Fußball-EM oder -WM oder auch einen Teil der Olympischen Spiele bei uns sehen. Aber es gibt da noch einen anderen Faktor – und der heißt Vernunft. Solche Ereignisse komplett zu lizenzieren und zu finanzieren, ist heute nur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich. Und jenseits dessen findet großer Sport bei uns statt, Formel 1 oder Boxen werden als Sportarten mit RTL verbunden – das ist beim Großteil des Publikums gelernt.
Privat-TV braucht weitere Erlösquellen. Das Gemeinschaftsunternehmen mit ProSieben, eine werbefinanzierte Videoplattform im Netz zu betreiben, ist gerichtlich untersagt worden. Nimmt RTL das Heft jetzt alleine in die Hand?
Schäferkordt: Wir arbeiten seit Jahren daran, dort zu sein, wo der Zuschauer ist. Mit dieser offenen Gemeinschaftsplattform wollten wir ihm eine Anlaufadresse für das sogenannte Catch-up-Fernsehen im Netz anbieten. Das ist abgelehnt worden, was wir nicht nachvollziehen können. Jeder deutschsprachige TV-Sender, ob öffentlich-rechtlich oder privat, sollte auf der Plattform die Möglichkeit haben, sein redaktionelles Angebot zum zeitversetzten Abruf anzubieten und sich selbst zu vermarkten.
Aber wie reagieren Sie darauf?
Schäferkordt: Wir sind ja längst online mit unseren eigenen Angeboten zum zeitversetzten Fernsehen. RTLnow.de haben wir bereits 2007 gestartet, gefolgt sind mit Vox, Super RTL, RTL II und zuletzt RTL Nitro die meisten Sender unserer Familie mit ihren eigenen Now-Angeboten.
Monatlich verbuchen wir inzwischen bis zu 20 Millionen Abrufe von Sendungen allein auf RTLnow.de, über alle unsere eigenen Plattformen hinweg haben wir im Netz erstmals über 100 Millionen Videoabrufe in einem Monat verzeichnet. Auch die Werbekunden schauen daran nicht vorbei. Die Nachfrage nach professionellen Inhalten im Netz überwiegt bei weitem, der User Generated Content spielt jedenfalls in der Vermarktung keine wesentliche Rolle. Nur schade eben, dass es für die Zuschauer nicht die eine Plattform zum Abruf verpasster TV-Sendungen gibt, sondern weiterhin viele einzelne.
Was ist jedoch der nächste Schritt?
Schäferkordt: Wir wollen unsere Angebote zum zeitversetzten Abruf aus dem Netz zurück auf den großen TV-Bildschirm bringen. Erste Vereinbarungen dazu mit Kabelnetzbetreibern haben wir getroffen, und wir reden jetzt über die Umsetzung. Gespräche mit weiteren Plattformen laufen. Der Zuschauer soll nicht nur online oder mobil, sondern auch im Wohnzimmer zu Hause sehen, was er möchte und wann er möchte.
ARD und ZDF haben den großen Kabelanbietern zum Jahresende gekündigt wegen zu hoher Verbreitungskosten. Was macht RTL?
Schäferkordt: Die Tatsache, dass Infrastrukturbetreiber in Deutschland vom Zuschauer ebenso bezahlt werden wie von denen, die ihre Inhalte zur Verfügung stellen, haben wir immer als Schieflage empfunden. Der deutsche Markt ist in dieser Hinsicht auch eine absolute Ausnahme. Erst kürzlich aber haben wir Vereinbarungen mit verschiedenen Kabelnetzbetreibern geschlossen, die für beide Seiten wohl ein fairer Kompromiss sind. Sie beinhalten die lineare und nonlineare Verbreitung unsere Angebote aus dem Free TV und auch Pay TV ebenso wie die Verbreitung in HD. [Carsten Rave/ps]
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