Nach der Abstimmung des EU-Parlaments über das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA haben sich erwartungsgemäß Vertreter aus Politik und Wirtschaft zu Wort gemeldet. Während die Reaktionen der Parteien überwiegend positiv ausfallen, sehen Wirtschaftsvertreter die Entscheidung mitunter kritisch.
Vertreter von SPD, FDP, Grünen, Linken und Piraten begrüßten das ACTA-Ende. Der Vertrag sei auf „völlig intransparente Weise zustande gekommen“, erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Im schlimmsten Fall hätte der Vertrag zu einer „erheblichen Beschränkung der Freiheit im Netz“ führen können. Die Demokratie habe über Lobby-Interessen gesiegt, erklärte Netzpolitikerin Halina Wawzyniak, die für die Linke im Bundestag sitzt. „Das Internet ist für viele Menschen ein Kulturraum, der gegen Eingriffe von Seiten des Staates oder der Industrie durch zivilgesellschaftlichen Protest verteidigt wird.“
Von einem „Sieg der Vernunft“ sprach Konstantin von Notz, Abgeordneter der Grünen: Das Abkommen hätte eine „rein repressive Durchsetzung eines mit gesellschaftlichen Realitäten nicht mehr in Einklang zu bringenden Urheberrechts“ mit sich gebracht. „Die Wahrung der Grundrechte und Bürgerfreiheiten im Netz scheint zumindest für die Abgeordneten des Europäischen Parlaments nicht nur ein leeres Wort“, kommentierte der stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland, Sebastian Nerz.
Der FDP-Politiker Jimmy Schulz betonte, dass nun eine wichtige Debatte über den Schutz des Urheberrechts und immaterielle Güter in der digitalen Welt anstehe. „Mit dem heutigen Aus für ACTA haben wir nun die Chance und die Aufgabe, die Diskussion unbelastet zu führen“, erklärte der Bundestagsabgeordnete.
Die Reaktionen in der Union fielen unterschiedlich aus. „Es konnte keiner erklären, was eigentlich der Nutzen von ACTA ist“, kritisierte der Netzpolitiker Thomas Jarzombek im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Der Text sei zu unklar formuliert gewesen. Nun müsse es eine breite Diskussion über das Urheberrecht geben, sagte der Bundestagsabgeordnete von der CDU.
Dagegen bedauerte der außenhandelspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Daniel Caspary (CDU), die Entscheidung. Statt ACTA komplett abzulehnen, hätte man die Stellungnahme des EuGH abwarten sollen. „Wir brauchen eine Klärung der Rolle von Internet-Service- Providern sowie eine bessere Definition von Urheberrechtsverstößen im Internet“, sagte Caspary. Das hätte der EuGH geleistet.
Der Netzaktivist Markus Beckedahl misst der Entscheidung gegen ACTA eine Bedeutung über das Abkommen hinaus zu; sie verdeutliche, dass es eine „europäische Öffentlichkeit für digitale Grundrechte“ gebe, die zu einem Machtfaktor in Brüssel und Straßburg geworden sei. Daher werde die EU-Kommission auch bei der Novellierung der IPRED- Richtlinie zum Schutz von Urheberrechten mehr Vorsicht walten lassen und auf die Grundrechte achten, ist sich der Vorsitzende des Vereins Digitale Gesellschaft sicher – „sonst werden die ACTA-Proteste schnell wieder auferstehen“.
Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen begrüßte das ACTA-Ende. „Besonders die fehlende Unterscheidung im Vertragstext zwischen gefälschten Medikamenten auf der einen und legalen Generika auf der anderen Seite ist problematisch“, betonte das international tätige Netzwerk. Generika seien völlig legal und in vielen Regionen der Welt die „einzig bezahlbare Behandlungsoption“. Es sei zu befürchten, dass bei der Anwendung von Acta in der jetzigen Form ein Handel mit erlaubten Präparaten behindert würde.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bedauerte das Scheitern. Piraterie schade deutschen Unternehmen – ACTA „wäre ein wichtiger erster Schritt gewesen“, um einen internationalen Rechtsrahmen für den Schutz geistigen Eigentums zu schaffen. Es sei ein „fatales Signal“, dass „Europa nicht zu seinen eigenen Rechtsstandards steht“, erklärte Manfred Gentz, Präsident der Internationalen Handelskammer (ICC). Die Diskussion sei wenig sachorientiert und sehr stark von Ängsten und nicht zutreffenden Befürchtungen geprägt gewesen. Für Europa stünden zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel; das Europäische Parlament müsse daher die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte zu „einem der Schwerpunkte der internationalen Handelspolitik“ machen.
Dagegen begrüßte der Verband der deutschen Internetwirtschaft Eco das Urteil: Die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet, wie ACTA sie vorsehe, „forciert Verfahren abseits jeder rechtsstaatlichen Norm und gerichtlichen Kontrolle“. Die Internet-Service-Provider – von denen viele im Eco sind – könnten dadurch dazu gedrängt werden, jenseits von Datenschutz und rechtsstaatlichen Prinzipien die Rechteverfolgung zu übernehmen. [dpa/fm]
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