Dass die Deutsche Bank an die Kirch-Erben Schadenersatz zahlen muss, ist inzwischen wahrscheinlich. Wie viel, das wollten die Münchner Richter eigentlich am Freitag abschließend klären. Aber es kam anders.
Im Kirch-Schadenersatzprozess gegen die Deutsche Bank geht die Beweisaufnahme doch noch weiter. Das Oberlandesgericht München lud den früheren KirchMedia-Chef Dieter Hahn für den 16. November wegen eines weiteren Beweisantrags überraschend erneut als Zeugen. Ob direkt anschließend die Schlussplädoyers gehalten werden sollen, ließ das Gericht am Freitag offen. Aber weil dies bisher so geplant gewesen war und Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen für diesen Tag vorgeladen bleibt, bereiten sich die Anwälte darauf vor.
Die Richter halten einen grundsätzlichen Schadenanspruch der Insolvenzverwalter und der Erben des verstorbenen Leo Kirch inzwischen für sehr wahrscheinlich: Der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer habe im Februar 2002 mit einem Fernsehinterview, in dem er Kirchs Kreditwürdigkeit bezweifelte, den Druck auf Kirch erhöht – wohl, um einen lukrativen Auftrag bei der Sanierung des maroden Konzerns zu erhalten. Das habe Kirchs wirtschaftlichen Bewegungsraum im Kampf gegen die „bereits gegebene oder noch eintretende Insolvenz“ weiter eingeengt, so die Richter.
Die Kirch-Seite fordert von der Deutschen Bank im laufenden Prozess 2,0 Milliarden Euro Schadenersatz wegen vorsätzlicher Schädigung und weitere 1,3 Milliarden Euro in einem noch anhängigen Verfahren über Kirchs Beteiligung am Axel-Springer-Verlag. Das Gericht hatte schon im März eine Zahlung von 775 Millionen Euro für sämtliche Forderungen als Vergleich vorgeschlagen – die Verhandlungen darüber verliefen aber erfolglos. Es wird damit gerechnet, dass die Richter dem neuen Deutsche-Bank-Chef Fitschen und dem Geschäftsführer der Kläger, Hans Erl, am 16. November ihre Meinung deutlich machen und erneut zu einem Vergleich auffordern werden.
Die Kirch-Gruppe war Anfang 2002 mit 6,5 Milliarden Euro verschuldet und kämpfte ums Überleben. „Wir wussten, wir benötigen jetzt schnell Geld“, sagte Hahn, damals Leo Kirchs rechte Hand, am Freitag. Die BayernLB als Gläubiger habe Kirch Mitte Februar geraten, die Insolvenz vorzubereiten. „Schnell zu verkaufen war nur ProSiebenSat.1. Wir wussten, dass Disney Interesse hat, und nahmen Mitte Februar Kontakt auf“, sagte Hahn und schilderte den dramatischen Wettlauf gegen die Uhr.
Am Osterwochenende Ende März sei es zum entscheidenden Treffen in einer Münchner Kanzlei gekommen. Kirch habe 2,0 Milliarden Euro gefordert: „Es war klar, dass das nicht durchsetzbar sein würde“. Disney habe 1,3 Milliarden geboten, „und wir waren in der Situation, wo wir nicht sehr wählerisch sein konnten“, sagte Hahn: „Es war klar, dass wir unter enormem Zeitdruck standen.“ Am Ostermontag habe man sich auf ein Eckpunktepapier geeinigt. Aber am Donnerstag habe der Disney-Vorstand mitgeteilt, dass er „in der Kürze der Zeit nichts unterschreiben“ werde. Am folgenden Montag, den 8. April, erklärte sich der überschuldete Kirch-Konzern für zahlungsunfähig.
Die Deutsche Bank legte nach Hahns Vernehmung die interne E-Mail eines Disney-Managers vor, in der der Rückzug damit begründet wurde, dass „es einfach zu viele Unsicherheiten gibt“. Damit sei klar, dass kein von Breuers Interview verstärkter Zeitdruck der Grund gewesen sei, sagte Bank-Anwalt Peter Heckel. Der sichtlich verärgerte Senatsvorsitzende Guido Kotschy gab ihm eine Woche Zeit, um dem Gericht schriftlich zu erklären, „warum diese Unterlagen erst heute vorgelegt wurden“, und setzte für 16. November 09.00 Uhr die Fortsetzung der Beweisaufnahme mit Hahn an. Die Frage eines Bank-Anwalts, ob danach ab 10.00 Uhr plädiert werde, ließ er nicht mehr zu und befand: „Die Sitzung ist geschlossen.“
[Roland Losch]
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