Es hat sich mal wieder viel getan im Fernsehen – nach dem Tageskonsum gemessen die Lieblingsbeschäftigung der Deutschen. Doch auch 2018 zeigt: Nicht alles, was TV-Macher anfassen, wird zu Gold.
Streamingdienste jagen das Traditions-TV – das gilt auch für das Jahr 2018. Dabei hat es im Bereich Bewegtbild auch bei den alten Anbietern viel Bewegung gegeben. Was sich alles auf den Bildschirmen so getan hat, zeigt diese Übersicht.
ABSCHIED:
Die Nachricht des Jahres platzt Mitte November in die Herbstruhe, als die ARD bekanntgibt, den Klassiker „Lindenstraße“ Anfang 2020 einzumotten. Im frühen Herbst zieht sich bereits Darsteller Joachim Hermann Luger zurück. Als Hansi Beimer ist er seit Anfang an dabei.
Der erste Abschied erfolgt bereits am Neujahrstag 2018. Heide Keller, seit Beginn des ZDF-Klassikers „Das Traumschiff“ als Stewardess Besatzungsmitglied, gibt nach gut 36 Jahren ihre Uniform ab. Sascha Hehn (bislang Victor Kapitän Burger) geht Anfang 2019 von Bord.
Der zweite betrifft ebenfalls das ZDF: Hannelore Hoger sagt nach fast 25 Jahren und 38 Krimis tschüs zu ihrer Reihe „Bella Block“ – sieben Millionen Zuschauer sehen im März den letzten Fall der Ermittlerin.
Zwei weitere bewährte Krimikräfte sagen Auf Wiedersehen: Robert Atzorn gibt als Kommissar Clüver („Nord Nord Mord“) im Januar im ZDF seine letzte Vorstellung, Matthias Brandt im „Polizeiruf 110“ im Ersten im Dezember.
Eine ganz andere Form des Abschieds nimmt Matthias Schweighöfer mit seiner Serie „You are wanted“ – Amazon Prime Video setzt sie nach zwei Staffeln nicht fort. Doch zu wenig Interesse? Da der Streamingdienst nie Zahlen rauslässt, wird niemand es je wissen.
Leise wird es im kommenden Jahr um den Musiksender Viva, der 25 Jahre lang eine ganze Generation begleitet hat. Zuerst setzte das Internet den Musiksendern zu. Nach der Übernahme durch Viacom wurde Konkurrent MTV zwar erst ins Pay-TV abgeschoben, ist nun aber wieder zurück. Dass der Mutterkonzern auf Dauer nicht zwei hausinterne Musiksender parallel nebeneinander laufen lassen will, verwundert kaum.
ABSTIEG:
Steffen Henssler nimmt sich viel vor, als er die Nachfolge von Stefan Raab antritt. Doch die ProSieben-Show „Schlag den Henssler“ zeigt, dass nur das Original das Format einst richtig ausgefüllt hat. Die Sendung fliegt aus dem Programm.
AUFSTIEG:
Unaufhaltsam ist die späte Karriere des Schauspielers Peter Kurth (61), der nicht nur in „Babylon Berlin“ (ARD/Sky) glänzt, sondern auch in der ZDF-Serie „Die Protokollantin“. Eine weitere Serie ist in Arbeit.
ABSTÜRZE:
Die einstige Quoten-Königin Veronica Ferres backt kleine Brötchen: Zwei ihrer drei Filme, „Liebe auf den ersten Trick“ auf Sat.1 und „Tod auf Raten“ im ZDF, interessieren weniger als zwei Millionen Menschen.
Ihrem Mann Carsten Maschmeyer ergeht es noch schlechter: Mit „Start up!“ auf Sat.1 will der Unternehmer beweisen, dass er auch als Hauptfigur einer Show taugt. Nur gut 500.000 Zuschauer kümmert das.
AUSFALL:
Mehr als eine Woche sind die Einschaltquoten selbst das große Thema unter den TV-Schaffenden. Wegen technischer Probleme fällt die Messung mehr als eine Woche aus. Zum Teil können Werbepreise nicht berechnet werden – wie beim Ersten während der Handball-WM.
ANSTÄNDIG:
Trotz der sportlichen Blamage sitzt der deutsche Fußball-Fan bei allen drei WM-Auftritten der deutschen Nationalmannschaft gebannt vorm Fernseher – alle drei Spiele kommen auf jeweils mehr als 25 Millionen Zuschauer. Das darf man getrost Treue nennen.
AUßERORDENTLICH:
Auch altes Eisen kann glühen. Die ZDF-Krimireihe „Ein starkes Team“ hält sich auch nach bald 25 Jahren und 76 Fällen wie ein „Tatort“ – acht Millionen Zuschauer sind die Regel. ZDFneo bescherte eine Wiederholung im März mit 3,16 Millionen Zuschauern gar den Senderrekord.
ACHTUNGSERFOLGE:
„Babylon Berlin“ gehört zweifelsohne dazu. Die 16 Folgen nach Volker Kutschers historischem Kriminalroman mit Spielort Berlin sind auch ein Jahr nach der Sky-Ausstrahlung wieder Gesprächsthema, als sie ins Erste gelangen: Zuerst sind fast acht Millionen Zuschauer dabei, zum Schluss noch unter vier Millionen. Die Mediathek brummt: Mehr als zehn Millionen Zugriffe registriert das Erste.
Ganz ohne PR kommt eine Dokumentation der leisen Töne aus: „Kulenkampffs Schuhe“: Immerhin knapp zwei Millionen Menschen (für eine Doku viele!) gönnen sich den ganz subjektiven Blick von TV-Autorin Regina Schilling auf Deutschlands große Entertainer wie Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Frankenfeld und Hans Rosenthal.
AUSSCHEIDEN:
Der Abschied von der Champions League wird dem ZDF mit Spitzenquoten versüßt. Mehr als 13 Millionen Zuschauer sind im Free TV dabei, als der FC Bayern München im Frühjahr im Halbfinale ausscheidet. Jetzt ist die Champions League nur noch verschlüsselt zu sehen.
AUSGESPROCHEN MAU:
Jette Joop dürfte sich von ihrer TV-Präsenz wahrscheinlich mehr versprochen haben. Nach nur zwei Ausgaben setzt RTL 2 das Existenzgründungs-Format „Jung, weiblich, Boss!“ mit der Modemacherin ab – zuletzt verlieren sich 330.000 Zuschauer vor den Bildschirmen.
Die Rolle rückwärts in alte und bessere Zeiten erhofft sich Sat.1 mit der Wiedereinführung der Daily Soap „Alles oder Nichts“ – doch nach wie vor dümpelt das Drama in Serie bei rund 750.000 Zuschauern pro Tag: zu viele zum Sterben, zu wenige zum Leben.
Für einen kleineren Privatsender sind zwei bis zweieinhalb Millionen Zuschauer anständig, aber fürs Erste eigentlich nicht: Judith Rakers‘ „Kriminalreport“, eine Art „Aktenzeichen XY… ungelöst“ im Westentaschenformat, tritt im Herbst auf der Stelle – mehr nicht.
AUCH DER ESC…
… ist nicht mehr das Nonplusultra. Nach all den enttäuschenden Jahren wollen nur etwas mehr als drei Millionen Zuschauer den deutschen Vorentscheid sehen, rund 7,7 Millionen sind beim Finale in Lissabon dabei – Tiefstwert seit 2009. Aber vielleicht lässt der gute vierte Platz von Michael Schulte das Interesse neu aufleben.
ABO-TV:
Das bezahlte Bewegtbild ist weiter auf dem Vormarsch. Besonders Netflix kündigt im Herbst einen Schwall neuer Serienproduktionen made in Germany an. Doch niemand weiß: Wie viele Menschen gucken wirklich, wer guckt, und machen Streamingdienste überhaupt Gewinne? Klar aber ist: Die neuen Anbieter mischen den Markt wohltuend auf. [Carsten Rave, dpa]
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