
Am 13. Februar 1975 wurde die Rundfunkanstalt Südtirol gegründet. Sie ist eine außergewöhnliche öffentlich-rechtliche Anstalt, da sie selbst keine Programme veranstaltet. Außergewöhnlich ist auch die Geschichte der RAS.
Kurzer Hintergrund
Südtirol ist jener Teil Tirols, der nach Ende des 1. Weltkrieges an Italien gefallen ist. Der Großteil der Bevölkerung ist Deutschstämmig. Sie sind im weiteren Sinne Tiroler. Schon immer waren die Südtiroler daran interessiert, Radio- und ab den späten 1950ern auch Fernsehprogramme in ihrer Muttersprache empfangen zu können. Dem entsprechend haben sie recht früh Mittel und Wege gefunden, an die Programme aus Österreich, der Schweiz und sogar aus Deutschland zu kommen.
Ein Land voller Piraten
Schon früh haben sich beherzte Südtiroler, meist Besitzer lokaler Elektrogeschäfte, mit Gleichgesinnten aufgemacht, deutschsprachige TV-Signale in Südtirol zu entdecken. Dazu sind sie auf die Berge Südtirols hoch und haben in hochalpinen Lagen nach TV-Signalen gesucht. Dazu hatten sie große Antennen, Akkus und einen Fernseher im Gepäck. Kleine, leichte Fernseher gab es damals noch nicht. Wir sprechen also von Tischgeräten in Röhrentechnik. Also entsprechend voluminös und schwer.
Die Leute sind auf den Bergen fündig geworden. Je nach Region und Gipfel haben die einen ORF FS1, andere auch ORF FS2, wieder andere die ARD und/oder das ZDF und wieder andere die SRG gefunden. Wie bringt man diese Signale runter ins Tal? Am leichtesten ging das auf drahtlosem Wege.
Also wurden Sendeanlagen aufgebaut. Streng illegal natürlich. Weil auch in Italien herrschte Rundfunkmonopol. Um nicht gleich aufzufallen, wurden die Sender zum Teil auf Bäumen versteckt. Immer wieder griffen aber die Behörden durch und legten Sender still. Aber ihre Betreiber haben vom Vollzugspersonal meist rechtzeitig Tipps bekommen, sodass das hochwertige Sendegerät kurz gegen minderwertige Ware ausgetauscht werden konnte. Das wurde dann konfisziert und danach wurden die „richtigen“ Sender wieder installiert. Am Ende wollten die Staatsbediensteten ja auch am Abend deutschsprachiges Fernsehen genießen.
Piraten im ganz großen Stil
Die Fernsehpiraten haben sich mit der Zeit zusammengeschlossen und haben auch die von ihnen empfangenen Programme untereinander ausgetauscht. So wurden dann mit der Zeit auch die deutschsprachigen Programme in Gebieten ausgestrahlt, die vor Ort nicht empfangbar waren.
Während der frühen 1970er-Jahre war das südtiroler Schwarzsendernetz auf 286 Sendeanlagen angewachsen.
Zu viel für die Landesregierung
Während der frühen 1970er-Jahre hatte es zahlreiche Initiativen gegeben, das von vielen Pionieren errichtete illegale „Sendernetz“ in geordnete Bahnen zu lenken. Dies wurde unter anderem durch Gesetze und die Arbeit der südtiroler Landesregierung, die ein Interesse daran hatte, deutschsprachige Fernsehprogramme auf legalem Wege der Bevölkerung zugänglich zu machen, gefördert. So wurde etwa 1971 ein Beschluss zur Einsetzung einer Expertenkommission zur Erarbeitung eines technisch-juridischen Gutachtens bezüglich des Empfangs von Fernsehprogrammen aus dem deutschsprachigen Kulturraum verabschiedet. Die Beauftragten der südtiroler Landesregierung Dubis, Hendrich und Schäfer nahmen 1973 Gespräche mit allen Betreibern von Umsetzeranlagen auf, um sie für das gemeinsame Ziel, die Schaffung eines geregelten Sendernetzes, zu überzeugen. Die Aufgabe mag nicht leicht gewesen sein, da die Anlagen unter vollem persönlichem Risiko errichtet wurden. Jede Anlage wurde bezüglich ihres Standortes, ihrer technischen Daten und ihres Zustandes detailliert erfasst.
Am 13. Februar 1974 unterzeichneten 101 Fernseh-Pioniere die Abtretungsurkunde für 286 Anlagen an das Land Südtirol. Sie übernahmen aber die vertragliche Verpflichtung für den ordentlichen Betrieb ihrer Anlagen zu sorgen, bis diese in das schrittweise neu zu errichtende Sendernetz eingebunden werden. Damit wurde aus den zahlreichen Privatsendern quasi Staatseigentum.
Schon zuvor nahmen Dubis, Hendrich und Schäfer ab Herbst 1973 bis ins Frühjahr 1974 Gespräche mit dem ORF, dem ZDF, der SRG und der ARD auf. Alle Anstalten erklärten sich bereit, den Südtirolern ihre Programme kostenlos zu überlassen.
Am 13. Februar 1975 war es schließlich so weit. Die RAS, die Rundfunk-Anstalt Südtirol, wurde gegründet.
Aus Piraten entstanden
Nüchtern betrachtet, ist die RAS aus Piraten entstanden. Und einer jener TV-Piraten von einst bekleidete das Amt des Präsidenten der RAS bis über die Jahrtausendwende hinweg. Das, was die südtiroler Landespolitik damals auf die Wege gebracht hat, war einzigartig. Weil damit wurde der Grundstein gelegt, dass die RAS Spezialisten hatte, die bestens mit der Materie vertraut waren. Ihnen war es damit möglich, aus ihren Schwarzsendern hochmoderne und effizient arbeitende Sendernetze aufzubauen.
Die RAS heute
Aktuell verbreitet die RAS 18 Hörfunk- und 14-Fernsehprogramme aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, sowie 15 private lokale Hörfunk- und acht Fernsehprogramme in Südtirol, Weiter zeichnet die RAS auch für die Verbreitung von vier Hörfunkprogrammen der RAI über DAB+ verantwortlich.
Insgesamt sorgt die RAS für die Ausstrahlung von 37 Hörfunk- und 22 Fernsehprogrammen. Dabei ist die RAS europaweit einzigartig. Sie versorgt grenzüberschreitend Sprachminderheiten und fördert modernste Kommunikationstechnologien.
Mit mehr als 120 Senderstandorten und über 1.200 Sendegeräten sorgt die RAS für eine flächendeckende Versorgung Südtirols mit Radio und TV.
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums erklärte der Präsident der RAS Peter Silbernagl: „Mit über 850 Mitnutzungen verschiedenster Betreiber an rund 90 gemeinsamen Senderstandorten und dank des Einsatzes modernster Technologien gehört Südtirol heute zu den bestversorgten Regionen Europas.“ Eine Aussage, die wir aufgrund zahlreicher eigener Erfahrungen nur mehr als ganz fett unterstreichen können.
Weiter der Generaldirektor der RAS Georg Plattner: Die RAS wird weiterhin die kulturelle Vielfalt Südtirols fördern, die mediale Infrastruktur stetig ausbauen und durch innovative Technologien eine moderne Kommunikation gewährleisten.“
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