Vor über 20 Jahren wurden die Telekommunikationsmärkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz liberalisiert. Doch heute sind die Unterschiede für Mobilfunkkunden groß.
Deutschland steht in der neuen Verivox-Studie zur Mobilfunkversorgung nicht gerade gut da: Im Vergleich zu Österreich und der Schweiz ist die Surfgeschwindigkeit am geringsten und die Netzauslastung am höchsten. Auch der LTE-Versorgungsgrad ist hierzulande am niedrigsten.
Zum Jahresbeginn 2020 meldeten die deutschen Netzbetreiber Telekom und Vodafone jeweils gut 98 Prozent LTE-Versorgung (4G) an die Bundesnetzagentur, Telefonica lediglich gut 84 Prozent. In Österreich und der Schweiz lag die Versorgung mit dem aktuellen Mobilfunkstandard 4G schon Ende 2018 bei über 99 Prozent – jeweils auf Basis versorgter Haushalte, nicht der Fläche. Studien zur LTE-Verfügbarkeit von 2019 zeigen, dass Mobilfunknutzer in Deutschland langsamer als in den Nachbarländern surfen und seltener LTE-Empfang haben.
Demnach werden laut Netzwerkanalysen von Opensignal Datenverbindungen in der Schweiz zu 92 Prozent über LTE aufgebaut, in Österreich zu 88 Prozent. Deutschland bildet mit lediglich 82 Prozent das Schlusslicht. „Deutsche Netzbetreiber nutzen trotz des UMTS-Rückbaus die langsameren 3G-Netze noch häufiger als ihre Kollegen in den Nachbarländern“, sagt Verivox-Telekommunikationsexperte Eugen Ensinger. „Das gilt insbesondere in ländlichen Regionen.“ Zudem sei zu beachten, dass der LTE-Empfang für Mobilfunknutzer von vielen weiteren Faktoren abhänge, etwa vom Standort in der Mobilfunkzelle, der Frequenzbreite, aber auch von der Auslastung im Netz.
Und die ist hierzulande besonders hoch. In Deutschland kommen (Stand Februar 2020) 1141 Einwohner auf einen Mobilfunkmast – das ist die höchste Auslastung im DACH-Vergleich. In den beiden kleineren Nachbarstaaten teilen sich nur 482 Einwohner (Österreich) bzw. 439 (Schweiz) einen Mast. „Die Anzahl der Mobilfunkmasten allein erlaubt jedoch noch keinen direkten Rückschluss auf die Versorgungsqualität“, sagt Eugen Ensinger. „Die Mobilfunkversorgung erfolgt zum einen nicht nur über Masten, sondern mit mehreren Technologien. Zum anderen können die Masten mit unterschiedlichen Frequenzbändern ausgestattet sein.“
Auch bei der im Schnitt erreichten Surfgeschwindigkeit liegt Deutschland ganz hinten, mit nur 25 Mbit/s. Österreich belegt mit 29 Mbit/s den mittleren Platz, die Schweiz kommt sogar auf 43 Mbit/s. Offizielle Zahlen zu den Surfgeschwindigkeiten sind rar. So weist der Bundesbreitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur LTE-Geschwindigkeiten nur gesammelt aus (größer oder gleich 2 Mbit/s). Die österreichische Regulierungsbehörde RTR nennt einen Medianwert von 31 Mbit/s. Der Schweizer Regulierer konnte auf Verivox-Anfrage keine konkreten Angaben machen.
„Nirgendwo in Europa wurden Mobilfunklizenzen so teuer bezahlt wie in Deutschland“, sagt Ensinger. „Dieses Geld fehlt nun beim Netzausbau.“ Die langwierige 5G-Auktion verschlang in Deutschland 2019 über 6,5 Milliarden Euro – das ist 35 Mal so viel wie in Österreich (188 Millionen Euro) und 18 Mal so viel wie in der Schweiz (359 Millionen Euro). Das 5G-Netz wird noch ausgerollt und ist derzeit nur punktuell verfügbar, meist in großen Städten. Trotzdem bieten mit Ausnahme von Salt Mobile bereits alle Netzbetreiber in den DACH-Staaten 5G-taugliche Smartphone-Tarife an. Diese 5G-Optionen sind in der Regel in hochpreisigen Premiumtarifen enthalten. Bisweilen sind sie kostenpflichtig buchbar (teilweise bei Vodafone und Swisscom), oder das Datenvolumen der 5G-Option wird limitiert (bei Hutchison Drei Austria und Swisscom).
In Deutschland vergeht von der Standortakquise bis zur Inbetriebnahme der Mobilfunkanlagen oft sehr viel Zeit, weil Genehmigungsverfahren kompliziert sind und sich lange hinziehen. Nach Angaben von Branchenverbänden dauert der Aufbau einer neuen Mobilfunkanlage oft zwei Jahre oder länger. Hierzulande ist auch die Mehrfachnutzung von Standorten durch mehrere Provider am höchsten; nach Angaben der Bundesnetzagentur liegt sie bei rund 80 Prozent. „Durch die Standortmitbenutzung können die Provider Synergien schaffen“, erklärt Ensinger. „Die gemeinsame Nutzung vorhandener Mobilfunkstandorte spart den Netzbetreibern Zeit und Geld.“ Vodafone und die Telekom wollen sich ab 2020 insgesamt 4000 Standorte teilen („Network-Sharing“), um die Netzabdeckung in Deutschland zu verbessern.
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