Review: Warum „The Last of Us Part II“ das erste Meisterwerk von Naughty Dog ist, das mir nicht gefällt

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The Last of Us Part II 2 PS4 Kritik Review Bericht Gameplay Bewertung
© Screenshot Auerbach Verlag

„So sehr mich „The Last of Us“ am Ende überzeugte, so wenig begeistert war ich, als eine Fortsetzung angekündigt wurde, denn nach 4 „Uncharted“-Teilen war meine größte Hoffnung, dass Naughty Dog nun endlich die Freiheit erhält, ein komplett neues Franchise aus der Taufe zu heben. Doch leider bestand diese Chance vermutlich nie…“ HDTV Magazin Chefredakteur Christian Trozinski mit einer Kritik zum kürzlich erschienenen Sequel vom Playstation Klassiker „The Last Of Us“ für die PS4 – „The Last of Us Part II“.

Sony hatte in der PS4-Ära einen echten Lauf: Exklusivtitel wie „The Last Guardian“, „Uncharted 4“, „God of War“, „Shadow of the Colossus“, „Bloodborne“, „Horizon Zero Dawn“, „Persona 5“, „Infamous: Second Son“ und „Spider-Man“ sowie Titel wie „Nier Automata“ oder „Detroit: Become Human“, die zuerst für Playstation auf den Markt kamen, haben Playstation als Entertainment-Marke auf eine neue Stufe gehoben und jeder Titel für sich ist eine Erfahrung, die ich auch rückblickend gesehen nicht missen möchte. Genauso erging es mir am Ende der PS3-Ära, als nach 3 Uncharted-Teilen auf einmal das Spiel „The Last of Us“ wie aus dem Nichts auftauchte. Die Geschichte, geschrieben von Neil Druckmann, hat für mich den wichtigsten Teil des Spielerlebnisses ausgemacht, denn spielerisch, da bin ich ehrlich, sind mir die Möglichkeiten innerhalb der comichaft überzeichneten, aber eben doch realistisch anmutenden „The Last of Us“-Welt, zu limitiert. So zog sich schon Teil 1 in meinen Augen zu sehr in die Länge: nach nicht enden wollenden Abwasserkanälen und Schlauchlevel war ich oftmals knapp davor, den Controller aus der Hand zu legen und mir den Rest des Spiels auf Youtube anzuschauen – der größte Gameplayfreund des ersten Spiels bin ich nie gewesen. Und dennoch: Die beiden Charaktere Joel und Ellie konnte ich ins Herz schließen und das Ende war ähnlich grandios geschrieben wie das Finale in „No Country for Old Men“. So sehr mich „The Last of Us“ am Ende überzeugte, so wenig begeistert war ich, als eine Fortsetzung angekündigt wurde, denn nach 4 „Uncharted“-Teilen war meine größte Hoffnung, dass Naughty Dog nun endlich die Freiheit erhält, ein komplett neues Franchise aus der Taufe zu heben. Doch leider bestand diese Chance vermutlich nie und so ist das Abschiedsgeschenk an alle Playstation-4-Spieler nun „The Last of Us Part II“ geworden. 

Die Entwicklungszeit für „The Last of Us Part II“ war einmal mehr sehr, sehr lang und das zeigt sich vor allem bei der Technik: Obwohl es eines der brutalsten Spieler aller Zeiten sein dürfte, ist es zugleich eines der schönsten und es erscheint fast wie Magie, dass es die sieben Jahre alte Playstation-4-Hardware ist, die dieses Kunstwerk antreibt. Doch der lange Entwicklungsprozess zeigt auch seine Schattenseiten: Trailer mit Szenen aus dem Spiel wurden bereits Jahre zuvor gezeigt, das Leitthema des Spiels „Hass“ machte schon von Beginn an die Runde und weil zahlreiche Naughty Dog Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben, allen voran Director Bruce Straley, mischen nun neue Personen beim Script mit, darunter Halley Wegryn Cross („Westworld“, „Too Old to Die Young“). Diskussionen, dass das Spiel vor allem Frauen in den Vordergrund stellen und damit ein Statement setzen will, interessieren mich ebensowenig wie die Story-Leaks, die nur wenige Wochen vor dem mehrfach verschobenen Release des Spiels die Runde machten. In meinen Augen ist die Gestaltung eines künstlerischen Werks kein demokratischer Prozess, bei denen Fans einer Spielemarke per Meinungsumfrage Einfluss nehmen sollten. Ein künstlerisches Werk ist nur dann meinungsstark und persönlich, wenn es ungefiltert das widerspiegelt, was der oder die Macher damit bezwecken wollen. Der Kritikpunkt, der für mich „The Last of Us Part II“ als Kunstwerk zu Fall bringt, ist nicht die Geschichte, die erzählt wird, sondern wie die Geschichte erzählt wird. Ohne zu viel verraten zu wollen, ein Vergleich: Stellen Sie sich vor, in „Der Herr der Ringe“ macht Frodo keine nachvollziehbare Entwicklung hin zum nächsten Gollum-Verschnitt durch, sondern ab Teil 2 wechseln Frodo und Gollum einfach die Körper. Sam ertrinkt am Ende von Teil 1 und der Höhepunkt des Films, die Zerstörung des Rings im Vulkan, wird gleich am Anfang des zweiten Teils gezeigt. Kommt es zu fragwürdigen Handlungen einzelner Charaktere, wird einfach sekundenlang ein schwarzes Bild gezeigt, gefolgt von einem Szenen- und Zeitwechsel, der die gesamte Verantwortung für erzählerische Löcher auf die Zuschauer überträgt. Wäre „The Last of Us Part II“ eine 30-stündige TV-Serie, so wäre ich vor allem damit beschäftigt, die gezeigten Szenen neu zusammenzuschneiden. Eines der größten Probleme von „The Last of Part II“ ist, dass es eine streitbare, erwachsene Geschichte innerhalb eines interaktiven Videospiels erzählen möchte. Die selbst ablaufenden Story-Szenen erlauben es aber nicht, Aktionen in andere Bahnen zu lenken und damit nachvollziehbarer zu gestalten – eine Wahl haben Spieler hier nie. 

„The Last of Us Part II“ umfasst mindestens zwei Spiele in einem und man hätte somit eine Trilogie spinnen und Teil 2 beispielsweise 2018 und Teil 3 jetzt veröffentlichen können. Dieses Spiel ist in meinen Augen nicht nur viel zu lang geraten, für das, was es erzählen möchte (ca. doppelt so lang wie der Vorgänger), sondern auch die Reihenfolge der Erzählungen und die Zuordnung der Handlungsabläufe passen in meinen Augen nicht zusammen. Sie erhalten in Rückblenden eine waschechte Fortsetzung der Geschichte aus Teil 1, doch sind diese Sequenzen über die gesamte 25-30h Spielzeit verstreut. Die Tanzszene mit Ellie und Dina, die wir bereits 2018 sehen konnten, findet in den letzten Spielstunden statt, aber auch hier ist es eine Rückblende. Das Grundthema Hass, das vornehmlich durch Ellie verkörpert wird, wird in letzter Konsequenz fast schon abgeschwächt, weil Naughty Dog die Hideo-Kojima-Trickkiste bemüht („Metal Gear Solid 2“ lässt grüßen) und einen ständigen Charakterwechsel im Spiel vornimmt, der nicht dazu beiträgt, dass man genauso mitfiebert wie noch im ersten Teil. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Einer der Story-Höhepunkte des gesamten Spiels wird binnen weniger Stunden fast schon nebenbei abgewickelt. Die folgenden Spielstunden beschäftigen sich dann damit, warum es zu dieser Eskalation der Gewalt kam. Leider ist auch dieser Story-Plot alles andere als überraschend und wird bereits zum Spielstart indirekt mitgeteilt. Das ist so, als würde man das Ende eines Films verraten und sich dann wundern, warum weniger Leute Lust haben, diesen Film überhaupt noch zu sehen. Und es gibt in „The Last of Us Part II“ leider zu viele Situationen, in denen die Charaktere aus Teil 1, allen voran Joel und Ellie, scheinbar eindimensional handeln, anstatt sich so clever zu benehmen, wie es Teil 1 vorgemacht hat – Parallelen mit „Game of Thrones“ Staffel 8 drängen sich hier geradezu auf. Doch im Gegensatz zu „Game of Thrones“ hätten fast alle Szenen aus „The Last of Us Part II“ in meinen Augen funktionieren können, wenn die Entwickler nicht krampfhaft versucht hätten, den zeitlichen Ablauf der Erzählung immer wieder auf den Kopf zu stellen. Druckmann und Cross eifern hier den besten Film- und Serienmachern nach, ohne deren Qualität wirklich zu erreichen. Das Frustrierende an dieser Erzählung ist: Auch „Part II“ ist an vielen Stellen genial durchkomponiert, doch „The Last of Us“ funktionierte gerade deshalb, weil es im Kern einfach gestrickt war. In „The Last of Us Part II“ hat man hingegen das Gefühl, dass man mit diesem Spiel gleichzeitig Oscar-Awards gewinnen und den Weg für eine neue HBO-Serie ebnen will. 

Spieleentwickler beschäftigen sich jahrelang mit den Charakteren und der Geschichte, doch wir Spieler erleben diese Erzählungen immer nur für ein paar Stunden. Was für uns zählt, ist „The Last of Us“ aus dem Jahr 2013, es sind die beiden Charaktere Joel und Ellie und deren Handlungen in Teil 1. So, wie „The Last of Us Part II“ die Geschichte weiterspinnt, fühlt es sich fast wie eine Bestrafung an, den ersten Teil gespielt zu haben. Ich verstehe zwar, was mit dieser Erzählweise bezweckt werden soll, aber damit es für mich am Ende schlüssig passt, müssten die Ereignisse in „Part II“ in einer anderen Reihenfolge gespielt und sogar das Leitthema „Hass“ auf einen anderen Charakter projiziert werden. Comichaft überzeichnet war „The Last of Us“ schon immer, aber mit einer 18 (?) jährigen Ellie mehr durchtrainierte Muskelmänner abzuschlachten als John Rambo in allen Filmen zusammen, ergibt für mich ebensowenig Sinn, wie eine Gemeindesprecherin im Spiel, die es gerade einmal fertig bringt, ein Pferd für zwei Mädchen bereitzustellen, die in den Krieg ziehen wollen. Stellen Sie sich vor, Sie schauen einen Endzeitfilm, in dem die Kinder losgeschickt werden, um eine gegnerische militärische Stellung auszuhebeln, während trainierte Männer und Frauen inklusive der besten Waffen zurückgehalten werden. Für jeden Handlungsstrang in dieser Geschichte gibt es in meinen Augen eine nachvollziehbarere bessere Alternative. Statt sehenden Auges mitten ins Chaos hineinrennen zu müssen, wäre es cleverer gewesen, wenn Spieler als Ellie vornehmlich eine Betrachterrolle eingenommen hätten, doch diese Möglichkeit hat sich das Spiel durch die Erzählweise gleich zu Beginn verbaut. Dabei müsste man nicht einmal die Geschichte selbst umschreiben – man müsste einzelne Handlungen nur anders anordnen oder auf andere Charaktere übertragen. 

Die einfachste Lösung wäre in meinen Augen die beste gewesen: „The Last of Us Part II“ hätte uns mit all seinen wichtigsten Rückblenden abholen können, um die Geschichte aus Teil 1 nachvollziehbar weiterzuspinnen. Wir hätten ohne unnötige Perspektivwechsel viel Zeit mit Joel und Ellie verbringen können und „Part II“ hätte nach 10 bis 15 Spielstunden an einem echten Cliffhangerpunkt enden können, der so auch im aktuellen Spiel vorkommt. „The Last of Us Part III“ hätte der Szenenwechsel sein können, den Naughty Dog hier gefühlt zur falschen Zeit einstreut und das Ende der Geschichte mitsamt seiner tragischen Konsequenzen hätte ganz ähnlich verlaufen können wie jetzt, ohne die Vision der Macher zu verfremden. Für uns als Spieler wäre dieser Weg nachvollziehbarer gewesen. Damit scheitert „The Last of Us Part II“ für mich persönlich an einem ähnlichen Punkt wie „Game of Thrones“ Staffel 8: Wenn der Weg der Erzählung für das Publikum nicht nachvollziehbar erscheint und Charaktere, die man bereits kennenlernen durfte, nicht mehr nachvollziehbar handeln, dann fällt auch das emotionale Kartenhaus in sich zusammen. Ich habe keine Ahnung, wie „The Last of Us Part II“ hinter den Kulissen entstand, aber es macht auf mich den Eindruck, dass Druckmann und Cross sich gegenseitig angestachelt haben, immer weiter gehen zu wollen. Doch in diesem Prozess haben sie scheinbar in Kauf genommen, dass Fans des Originals von der Erzählung in „Part II“ schlichtweg überrollt werden und somit enttäuscht sein dürften. Dieses Risiko wissentlich in Kauf zu nehmen, verdient zwar Respekt, doch dadurch entsteht zumindest bei mir der Eindruck, dass Fans von „The Last of Us“ zu viel verlieren ohne etwas Gleichwertiges zu gewinnen. „Part II“ erzeugt am Ende des Weges ein emotionales Vakuum und es ist nichts mehr da, um dieses Schwarze Loch zu füllen. Meine Hoffnung ist, dass wir in der PS5-Ära kein „The Last of Us Part III“ sehen werden, sondern, dass diese Erzählung nur noch in TV-Form weitergesponnen wird. Was ich von Naughty Dog sehen möchte, ist ein komplett neues unverbrauchtes PS5-Franchise, das mehr spielerische Möglichkeiten eröffnet und gänzlich unbekannte Charaktere einführt. Joel und Ellie aus „The Last of Us“ werde ich ohne den Ballast von „Part II“ in bester Erinnerung behalten: als zwei gegensätzliche Personen, die einander verzeihen können, Vergebung finden und Hoffnung ausstrahlen.

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