„Tribes of Europa“ ist die bisher wohl aufwendigste deutsche Netflix-Produktion. In der Science-Fiction-Serie ist der Kontinent in Mikrostaaten und Stämme zerfallen. Dennoch besteht Hoffnung.
Die EU liegt in Trümmern. Nach einem Cyberkrieg zwischen den USA und Nordkorea und einem weltweiten Stromausfall sterben im Dezember 2029 Millionen von Menschen. Die Überlebenden in Europa zerfallen in Mikrostaaten mit eigener kulturellen Identität. Die Idee der europäischen Einheit ist dahin. Die aufwendige deutsche Science-Fiction-Serie „Tribes of Europa„, die ab Freitag auf Netflix zu sehen ist, zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft.
Dabei wirkt der Gedanke, jedes EU-Land denke zunächst an sich, recht real, was etwa die Flüchtlingspolitik immer wieder verdeutlicht. Und nach dem Austritt Großbritanniens hatten Politiker befürchtet, andere Staaten könnten nachziehen.
Jeder gegen jeden
Die dystopische Netflix-Serie der „Dark“-Produzenten um Showrunner Philip Koch zeigt, wo dies hinführen könnte. Die verschiedenen Stämme, hier Tribes genannt, kämpfen um die Vorherrschaft. Im Jahr 2074 kommt es dann zu einem Vorfall, der Europa verändert: Ein Flugobjekt stürzt in den Wäldern ab, in denen die naturverbundenen „Origines“ leben. Die machthungrigen „Crows“ sind hinter der geheimnisvollen Fracht her und massakrieren dafür ganze Dörfer.
Die friedfertigen Geschwister Liv, Kiano und Elja, die bei dem Angriff voneinander getrennt werden, sind die Hauptpersonen der neuen Netflix-Saga, die mit einem üppigen Szenenbild punktet. Der interessanteste Handlungsstrang spielt im düsteren Brahtok, dem früheren Berlin, wo Kiano (Emilio Sakraya) als Sklave in einer Fabrik arbeiten muss.
Schnell wird Oberschurkin Varvara (von Melika Foroutan hervorragend böse gespielt) auf den jungen Kämpfer aufmerksam und hält ihn als privaten (Sex-) Diener. Er wiederum hofft, mit Hilfe von Varvara und eines brutalen Menschenkampfes in Freiheit zu gelangen.
Ein Monsterprojekt
„Diese ganze Science-Fiction-Welt, in die ich für sechs Monate eintauchen durfte, war faszinierend. Die Kälte, der Schlamm, den ich abends mit nach Hause genommen habe, das werde ich so schnell nicht vergessen“, sagte Emilio Sakraya der Deutschen Presse-Agentur. Der 24-Jährige, der auch als Sänger arbeitet und in Serien wie „4 Blocks“ oder „Warrior Nun“ zu sehen war, bezeichnet „Tribes of Europa“ als „Monsterprojekt“. Und dieses zielt, wie fast jede Netflix-Serie, auf ein weltweites Streaming-Publikum.
Gedreht wurde (noch vor Corona) in Deutschland, Tschechien, Kroatien und Südafrika. Auch der Cast ist vielfältig besetzt, immer wieder wird Englisch gesprochen. „Netflix hat eine sehr zeitgemäße Diversitätsklausel, das finde ich gut“, erklärt die im Iran geborene Foroutan („Der Mann mit dem Fagott“). „Zu oft wurde in der Vergangenheit in deutschen Produktionen die Realität ignoriert, dass wir längst ein Einwanderungsland sind.“
Mit so viel Einheit wie hinter den Kulissen kann die Serienrealität im dystopischen Europa zu Beginn nicht dienen. Die sechs Folgen der ersten Staffel (weitere sind bei guten Abrufzahlen wahrscheinlich) sollen Foroutan zufolge aber Hoffnung geben. Dass die Menschen in Notlagen zueinanderfinden. Dazu passt ein Satz, den ein Armeechef seinen Soldaten in einer Szene verkündet: „Die europäische Idee stirbt nie.“
Bildquelle:
- tribesofeuropa: Netflix