Zusammen mit dem Streamingdienst Paramount+ erlebt „Star Trek: Strange New Worlds“ heute sein Deutschland-Debüt. DIGITAL FERNSEHEN bewertet das Gesehene ohne riesige Spoiler, aber mit einer humorlosen Kritik.
Lektüre auf eigene Gefahr: Wer sich auf die erste Folge von „Star Trek: Strange New Worlds“ freut und wirklich gar nichts darüber im Voraus wissen möchte, sollte diese Kritik nicht lesen.
Zum Start von Paramount+ am 8. Dezember ist mit „Strange New Worlds“ ist die Serie endlich auch in Deutschland verfügbar, auf die insbesondere viele alte Trekkies gewartet haben. Warum? Das Retro-Flair des „Discovery“-Spinoffs versprach neben betörend schönen Bildern schließlich auch die Rückkehr zu den alten Tugenden der SciFi-Institution.
Doch was ist damit gemeint? Hauptsächlich vermisst das alteingesessene Trek-Publikum abgeschlossene Episodenhandlungen, den Fokus der alten Drehbücher auf unterhaltsame Rätsel im Weltraum-Setting – und schlichtweg klassisches Serienfernsehen.
Zum Thema: „Star Trek: Strange New Worlds“ – Das Intro ist Nostalgie pur
Während „Picard“ und „Discovery“ nun in moderner Streaming-Tradition längere Spannungsbögen aufziehen, die Kernhandlung damit über Wochen verschleppen und ihre Laufzeit mit gefühlsduseligem Drama auffüllen, erhoffen sich nicht wenige Fans von „Strange New Worlds“ wieder ein „Star Trek“ wie bei Kirk, Janeway und dem alten Picard (also dem jungen Patrick Stewart).
„Star Trek: Strange New Worlds“: So schneidet Folge 1 ab
Doch kann die moderne Serie mit dem Retro-Anstrich das wirklich erfüllen und gleichzeitig auch das Streaming-Publikum der Folgegeneration glücklich machen? Folge 1 von „Strange New Worlds“ legt dafür einen ordentlich bemühten Spagat hin, die Antwort lautet aber schlichtweg: Nein. Zumindest bisher nicht.
Eine Sache liefert die neue Trek-Serie mit dem Captain des uralten „Star Trek“-Piloten „The Cage“ von 1965 definitiv ab: Die Bilder, gerade Außenansichten der Enterprise, sind wie versprochen monumental. Auf den ersten Blick ist die Serie dementsprechend schön anzuschauen, doch damit hat „Strange New Worlds“ auch quasi schon sein Pulver verschossen.
Inhaltlich entwickelt sich die erste Folge der Spinoff-Serie von „Discovery“ nämlich wieder viel zu langsam und das Publikum weiß somit schnell: Für mehr als eine kaugummiartige Exposition ist eigentlich kaum Zeit. Deshalb muss das Rätsel der episodischen Serienhandlung, die es zur verhaltenen Freude aller Alt-Trekkies tatsächlich gibt, auf das Allernötigste reduziert werden.
Einige freuen sich vielleicht darüber, dass neubesetzte, altbekannte Rollen wie Spock (mit täuschend echter Original-Stimme) und Uhura mit relativ viel Tamtam vorgestellt werden. Allerdings geht das merklich auf Kosten einer spannend erzählten ersten Geschichte und hinterlässt somit eher einen faden Eindruck. Hier werden schlichtweg wieder falsche Prioritäten gesetzt.
Mehr Ostereier als Substanz
Viele Anspielungen an vergangene „Star Trek“-Serien sind in neuen Produktionen an der Tagesordnung und eigentlich kein Verbrechen, solange sie nicht zu viel Raum einnehmen. So begibt sich Captain Pike mit seiner Crew auf eine Rettungsmission auf Den Spuren der „USS Archer“ – ein klarer Verweis auf Captain Archer („Star Trek: Enterprise“), oder dessen Vater, den Entwickler des ersten Sternenflotten-Antriebs mit Warp-Faktor 5.
Sonst ist „Strange New Worlds“ ein kalkulierter Drahtseilakt zwischen Trekkie-Nostalgie und „Discovery“-Gegenwart. Um die recht langatmige Einführung der Figuren wieder rauszuholen, wird das diplomatische Problem des Tages dann mit einer Art Powerpoint-Präsentation hastig abgefrühstückt. Das ist nicht nur wenig glaubwürdig, sondern sieht selbst im Vergleich mit den oft cleveren Plots der Originalserie aus den 1960er Jahren ziemlich alt aus.
Hinzu kommt, dass die vielversprechende Optik der retrofuturistischen Hochglanzserie von Paramount+ durch handwerkliche Undiszipliniertheit und Über-Tuning zu einer Art Belastung für den Sehnerv wird.
Seltsame neue Welt
Während das Außendesign der Enterprise, die Pomade in Captain Pikes Haar und einige Gadgets zwar ein Salut an die Retro-Science-Fiction sind, ist nicht nur das auf Hochglanz geleckte Interieur des Prequel-Raumschiffs deutlich zu durchgedreht, um an die eher zurückhaltend entworfene Zweckmäßigkeit der alten „Star Trek“-Kajüten anzuschließen. Alles leuchtet, blitzt und blinkt wie eine Kirmesattraktion und ist so dermaßen überkandidelt stylisch, dass einem fast die Augen bluten.
Selbst bei kurzen Sequenzen und Close-Ups bewegt sich die Kamera zwanghaft nervös über die einem Flipperautomaten gleichende Kommandobrücke oder sprintet plötzlich durch den Transporterraum wie ein ungezogener Hund. Diese gegendstandslose handwerkliche Hyperaktivität zieht sich über weite Strecken durch die erste Folge von „Strange New Worlds“ – und macht das Gesamterlebnis trotz edler Bilder regelrecht unangenehm.
Auch einfache statische Einstellungen sind ohne nennenswerten Grund oft merklich verwackelt – wozu das gut sein soll, weiß wahrscheinlich wirklich nur der sprichwörtliche Geier. Schließlich wird so auch das Spiel der Darsteller in „Strange New Worlds“ förmlich an die Wand gedrückt und hat kaum Luft zum Atmen.
Zu guter letzt verbleibt auch inhaltlich mit der äußerst schmierigen Auflösung des ersten Abenteuers ein schaler Nachgeschmack. Und vor dem Abspann wird sich mit völlig betrunken wirkendem Provinzpathos entgegengefeixt wie in der Werbung von der Rügenwalder Mühle. Das Fazit zur ersten Folge von „Strange New Worlds“ lautet also: Ein Spagat kann durchaus beeindruckend sein – wenn er nicht gekonnt ausgeführt wird, tut er jedoch leider hauptsächlich weh.