Berlin – In der Schweiz sehen bereits 40 000 Leute 100 Sekunden pro Tag Nachrichten über ihre Handys. Eine Million Italiener gehen sogar noch weiter: Sie zahlen bis zu 19 Euro im Monat, um zahlreiche mobile TV-Kanäle via Handy empfangen zu können.
Dies berichtet heute die „New York Times“. Demnach erobere das Fernsehen im Taschenformat nach Japan und Südkorea nun auch zunehmend Europa und die USA. In den beiden asiatischen Ländern erfreue sich Handy-TV bereits seit drei Jahren großer Beliebtheit. Von einem einheitlichen Übertragungsstandard sei man jedoch noch weit entfernt.
Europäische und US-amerikanische Mobilfunkunternehmen sollen bereits in neue Funktürme, Handy-Ausstattungen sowie TV-Programme und -Promotion investieren. Und das, obwohl noch unklar sei, ob Handy-TV überhaupt ein Erfolg werde.
Am Sonntag startete AT&T Wireless, ein Mobilfunkunternehmen mit 71,4 Millionen Kunden, in den USA sein Tochterunternehmen AT&T Mobile TV. Der firmeneigene Handy-TV-Service biete demnach ein Paket mit zehn Sendern an, das 15 US-Dollar pro Monat kosten soll. Enthalten im Paket sei auch der Sender Pix, der Filme von Sony Pictures anbietet. AT&T plane, DVB-H-fähige Handys von LG Electronics und Samsung zu verkaufen.
Großbritannien plant, noch diesen Monat eine drahtlose Frequenz, die für Handy-TV genutzt werden könnte, zu ersteigern. Auch Frankreich wolle im Juni laut „New York Times“ eine Lizenz für einen Handy-Video-Service mit 13 Sendern erwerben. Für den deutschen Markt ist ein Handy-Video-Service noch in diesem Jahr geplant. Mobile 3.0, eine Investorengruppe, die von dem südafrikanischen Medienunternehmen Naspers geführt wird, soll demnach in Deutschland den Video-Service anbieten.
Bevor vor drei Jahren die mobile Rundfunkübertragungs-Technologie aufgetaucht ist, mussten Mobilfunkunternehmen interessierten Kunden Videos als vorgepackte Clips über High-Speed-Verbindungen zuschicken. Diese Methode war nicht nur zeit- sondern auch kostenaufwändig und verlangsamte zusätzlich den Datentransfer über diese Leitungen.
Weltweiter Marktführer bei Handy-TV sei laut Informationen des Marktforschungsinstituts In-Stat Japan mit 20 Millionen Handys, die mit TV- Receivern ausgestattet sind. Platz zwei belege demnach Südkorea mit 8,2 Millionen DVB-H-fähigen Handys. In-Stat schätzte zudem, dass Ende 2007 zirka 29,7 Millionen Menschen weltweit TV-Angebote über ihre Handys verfolgten. Diese Zahl soll bis Ende 2008 auf 56,9 Millionen Nutzer steigen, was vor allem auf die wachsende Nachfrage auf dem japanischen Markt zurückzuführen sei.
In Europa zählt Italien als Handy-TV-Vorreiter. Bereits seit 2006 wird dort dieser Service angeboten. Der größte Handy-TV-Anbieter sei demnach 3 Italia, ein Mobilfunkunternehmen, das zu Hutchison Whampoa in Hongkong gehört. Italiener können bis zu einem Dutzend Kanäle über Handy verfolgen. Auch die Swisscom bietet ein Service-Paket mit 20 Sendern an, das 13 Schweizer Franken im Monat koste.
Für einige Netzbetreiber bleibe Handy-TV jedoch weiterhin ein Nischenangebot. In den USA bietet nach Angaben der „New York Times“ Verizon Wireless bereits seit März 2007 Handy-TV an, der Service werde jedoch laut In-Stat von weniger als 100 000 Kunden kostenpflichtig genutzt.
Auch Robert Briel, Herausgeber von „Mobile Broadband News“ in Amsterdam, bekennt, skeptisch gegenüber Handy-TV eingestellt zu sein. Laut Briel bevorzugten Leute, TV-Programme über größere Bildschirme zu verfolgen.
DVB-H, der europäische Übertragungsstandard für Handy-TV, ist ein Übertragungsstandard, mit dem digitale Rundfunkprogramme über kleine und/oder mobile Geräte empfangen werden können. Der Standard wurde vom DVB Project entwickelt, einer Gruppe aus 275 Medien-, Unterhaltungs- und Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Genf.
Auch die Europäische Kommission empfahl unverbindlich letzen Juli die Nutzung des DVB-H-Standards in allen EU-Ländern. Der in den USA genutzte Standard nennt sich MediaFlo, der von Qualcomm entwickelt wurde. Japan, Südkorea und China sollen wiederum andere Standards nutzen. Von einem einheitlichen globalen Standard sei man laut Lars Felber, Produkt Marketing Manager bei Elgato, demnach noch weit entfernt. Solange ein einheitlicher Standard fehle, produzieren Unternehmen wie Telegent Systems weiterhin Chips, die für alle Standards passen.
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